Bis zur 22. Schwangerschaftswoche sollen Abbrüche grundsätzlich nicht mehr unter Strafe stehen – das fordert ein breites Bündnis von Verbänden. Die Bundesregierung müsse anlässlich der anhaltenden Debatte endlich handeln.
Ein breites Verbändebündnis drängt auf eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22. Schwangerschaftswoche. Dazu haben 26 Organisationen in Zusammenarbeit mit Expertinnen der Reproduktionsmedizin einen eigenen Entwurf für ein Gesetz erarbeitet und vorgestellt. Dieser sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten 22 Wochen außerhalb des Strafgesetzbuchs (StGB) zu regeln und die Gesetzesparagrafen, auf denen die Strafbarkeit beruht, abzuschaffen.
Die Organisationen – unter ihnen Pro Familia, der Deutsche Frauenrat und die Gewerkschaft Verdi – haben den Entwurf am Donnerstagmittag an Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordnete des Bundestags übergeben. Er solle ein "maßgeblicher Impuls an den Gesetzgeber" sein, erklärte die Juristin Liane Wörner. Die Länder Sachsen, Hamburg und Niedersachsen schlugen bereits auf der Justizministerkonferenz im Juni eine zeitnahe Reform des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht vor. Dieser Vorschlag steht im Kontext zu den Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission, die kürzlich ihren Abschlussbericht vorgestellt und sich darin für eine umfassende Liberalisierung ausgesprochen hatte, was nicht ohne Kritik blieb.
Eine Abtreibung ist in Deutschland nach § 218 StGB grundsätzlich rechtswidrig, aber nicht strafbar, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er aufgrund einer zur Schwangerschaft führenden Vergewaltigung vorgenommen wird.
Verbände pochen auf Beratungsanspruch anstelle von Pflichten
Neben der Entkriminalisierung von Abbrüchen bis zur 22. Woche sieht der Entwurf der Verbände vor, dass es künftig für ungewollt Schwangere anstelle der geltenden Pflichtberatung einen Rechtsanspruch auf Beratung geben soll. Die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche sollen grundsätzlich von der Krankenkasse übernommen werden. Ärzte sollen laut Entwurf aber weiterhin die Möglichkeit haben, sich persönlich gegen die Durchführung eines Abbruchs zu entscheiden. Auch Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen einer Schwangeren sollen dem Verbändeentwurf zufolge weiter unter Strafe stehen.
"Die Zivilgesellschaft schlägt der Politik hier ein ausgewogenes Konzept vor, das sowohl den Schutz von Frauen im Prozess als auch den Schutz von Föten und die verfassungsgerichtlich festgestellte Schutzpflicht berücksichtigt", erklärte Wörner, die wie die beiden beteiligten Expertinnen Friederike Wapler (Universität Mainz) und Maria Wersig (Hochschule Hannover) federführend an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt war. Die drei Frauen waren auch Teil einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertinnenkommission, die im April dieses Jahres Empfehlungen zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen abgegeben hatte. In politisches Handeln übersetzten sich diese Empfehlungen aber bislang nicht. Die Bundesregierung erklärte damals, die Vorschläge intensiv prüfen zu wollen und betonte, dass es sich um eine "hochsensible Materie" handele.
Reaktion der Bundesregierung noch unklar
Der Entwurf der Verbände hat nur dann Konsequenzen, wenn die Bundesregierung die Initiative aufgreift oder Abgeordnete die Initiative für eine Gesetzesänderung ergreifen. Laut Wapler hat es auch aus den Reihen der Ampel-Fraktionen positive Signale gegeben.
Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Leni Breymaier, begrüßte den Vorstoß ausdrücklich. "Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch", sagte sie der dpa. Die Strafandrohung habe inzwischen zu einer "massiven Unterversorgung, insbesondere in Süddeutschland" geführt. "Was wir nicht brauchen, sind Regeln aus den 1990er Jahren, getragen von einer Geisteshaltung von vor hundert Jahren."
Gegenüber LTO äußerte eine Sprecherin des Bundesjustizministerium (BMJ), dass die Prüfung des Abschlussberichts der Kommission noch andauere. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte zuletzt im Sommer zu der Thematik gesagt: "Beim Schwangerschaftsabbruch stellen sich besonders schwierige verfassungsrechtliche Fragen. Hier gibt es auch innerhalb der Regierungsfraktionen und in der Gesellschaft sehr unterschiedliche Perspektiven."*
dpa/xp/LTO-Redaktion
* Anm. d. Red.: Ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 16:56 Uhr
Schwangerschaftsabbruch: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55656 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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