Thüringer OLG: Gefähr­dete Demenz­kranke müssen lückenlos beauf­sich­tigt werden

25.03.2011

Ein Pflegeheimbetreiber verletzt seine Betreuungspflichten, wenn er Demenzkranke mit bekannter Weglauftendenz nicht genügend beaufsichtigt. Das hat das Thüringer OLG mit Urteil vom Mittwoch entschieden und der betroffenen Seniorin ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro zugesprochen.

Im Herbst 2008 verließ die demenzkranke, 73-jährige alte Frau unbemerkt das Pflegeheim, in dem sie den dreiwöchigen Urlaub ihrer sie sonst betreuenden Tochter verbringen sollte. Die Suche – auch der Polizeikräfte – verlief zunächst erfolglos. Erst drei Tage nach ihrem Verschwinden wurde die Frau verletzt, unterkühlt und in einem schwer verwirrten, desorientierten Zustand auf einer Wiese liegend gefunden. Sie war gestürzt und hatte sich dabei die rechte Schulter gebrochen.

Das Landgericht Mühlhausen hatte die Betreiberin des Pflegeheimes zu 10 000 Euro Schmerzensgeld und einer monatlichen Rente von 150 Euro verurteilt. Dagegen legte sie Berufung ein. Ihre Begründung: Sie habe ein offenes Haus und habe keine lückenlose Überwachung der Seniorin gewährleisten können und müssen. 

Dieser Argumentation ist der zweite Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts (OLG) nicht gefolgt (Urt. v. 23.03.2011, Az. 2 U 567/10). Die Pflegeheimbetreiberin habe ihre Betreuungspflichten aus dem Heimvertrag fahrlässig verletzt. Sie habe gewusst, dass die Frau demenzkrank ist und an ihrem Wohnort häufig allein zu ihrem Elternhaus gelaufen sei. In der für sie fremden Umgebung habe die konkrete Gefahr bestanden, dass die demenzkranke Frau sich verlaufen und dann verwirrt und orientierungslos umherirren werde.

Nachdem sie das Heim bereits zweimal (am ersten und am zweiten Tag ihres Aufenthalts) unbemerkt verlassen habe, sei mit einem erneuten – und anders als bei den beiden ersten Malen auch erfolgreichen – Weglaufversuch zu rechnen gewesen. Um das zu verhindern und um sicherzustellen, dass die Frau sich nicht selbst in Gefahr bringt, hätte sie lückenlos beaufsichtigt werden müssen.Wenn hierfür kein hinreichendes Personal verfügbar gewesen sei, hätte die Tochter aufgefordert werden müssen, ihre Mutter wieder abzuholen und anderswo unterzubringen.

plö/LTO-Redaktion

 

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Thüringer OLG: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2871 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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