Nach der Landtagswahl 2018 war die AfD-Fraktion überzeugt, dass Mandate falsch berechnet worden seien, und legte Beschwerde ein. Der Staatsgerichthof wies die Beschwerde nun ab, die politischen Verhältnisse bleiben.
Die Sitzverteilung im hessischen Landtag ist rechtmäßig. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen mit Sitz in Wiesbaden wies am Montag eine entsprechende Beschwerde der AfD-Fraktion zurück (Urt. v. 11.01.2020, Az. P.St. 2733, P.St. 2738). Die Urteilsverkündung fand wegen des erhöhten Platzbedarfs während der Corona-Pandemie in einem Zelt auf einer Wiese statt.
Die AfD-Fraktion ist der Auffassung, dass das Parlament 138 Sitze haben muss statt seiner aktuell 137. Sie begründete dies damit, dass die CDU in den Wahlkreisen 40 Abgeordnetenmandate direkt gewonnen hatte, während ihr nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gemäß ihrem Landesstimmenergebnis lediglich 32 Sitze zustanden. Hieraus ergaben sich für die CDU acht sogenannte Überhangmandate mit der Folge, dass sich die vorgesehene Gesamtzahl von 110 Abgeordnetensitzen um diese acht Mandate sowie um weitere Ausgleichsmandate erhöhen musste, die den übrigen Parteien zustehen.
Der Landeswahlausschuss hatte zur Berechnung der Ausgleichsmandate die Gesamtsitzzahl des Landtages schrittweise so lange um jeweils ein Mandat erhöht, bis der CDU die 40 Mandate auch auf Grundlage ihres Landesstimmenergebnisses zugeteilt werden konnten. Dies war erstmals bei 137 Gesamtsitzen der Fall. Jedoch hätte die CDU die ihr zustehenden 40 Mandate auch bei 138, 139 und 140 Gesamtsitzen erhalten.
Besondere Verhältnisse im hessischen Landtag
Die Berechnung war nach der Landtagswahl 2018 politisch von großer Bedeutung: Ohne die Überhangmandate hätten die Fraktionen CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Landtag mit der gesetzlichen Regelgröße von 110 Abgeordneten zusammen 55 Mandate bekommen, die übrigen Fraktionen ebenfalls. Damit hätte die derzeitige Landesregierung über keine parlamentarische Mehrheit verfügt. Bei der Gesamtsitzzahl von 137, die der Landeswahlausschuss als Folge der Überhang- und Ausgleichsmandate ermittelt hat, verfügen die Fraktionen CDU und Bündnis 90/Die Grünen nunmehr mit zusammen 69 Mandaten über eine Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag. Diese Mehrheit wäre nicht mehr gegeben, wenn sich die Gesamtsitzzahl auf 138 beliefe, da in diesem Fall das zusätzliche Mandat der AfD-Fraktion zustünde.
Die AfD-Fraktion deshalb nun die Auffassung, das beschriebene Verfahren entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben, führe zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung derjenigen Partei, die die Überhangmandate errungen hat, und wahre nicht das sich aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit ergebende Gebot der Erfolgswertgleichheit der Stimmen. Die unverzerrteste Ermittlung der Gesamtgröße des Parlaments sah die AfD vielmehr in ihrer Dreisatzrechnung, wonach die Gesamtzahl 138 Abgeordnete statt der derzeit 137 Abgeordneten betragen müsse.
Die Berechnungen waren richtig, Dreisatzrechnungen sieht das Gesetz nicht vor
Dieser Argumentation folgte der Staatsgerichtshof nun jedoch nicht. Zum einen sei die Auffassung, im Fall von Überhangmandaten solle die Erhöhung der Gesamtzahl der Abgeordnetensitze diejenige Sitzproportion haben, die sich ausgehend vom Landesstimmenergebnis der einzelnen Parteien bei einem Landtag mit 110 Sitzen ergeben würde, nicht mit dem Wortlaut des Landeswahlgesetzes vereinbar. Zum anderen verwarf er die Dreisatzrechnung der AfD, da es allein auf das im Landeswahlgesetz vorgesehene Berechnungsverfahren ankomme.
Zwar folge aus dem Gesetz und den Wahlrechtsgrundsätzen auch, dass die Beeinträchtigung der Erfolgswertgleichheit der einzelnen Stimmen möglichst gering ausfallen müsse. Daher müsse ermittelt werden, bei welcher Zahl an Sitzen im Landtag die Abweichung zwischen den tatsächlichen Sitzanteilen der Parteien und ihren jeweiligen Anteilen an den zu berücksichtigenden Landesstimmen so klein wie möglich ist. Diese Abweichung sei aber, so das Gericht, bei den aktuellen 137 Sitzen am geringsten. Entsprechend sei die aktuelle Sitzverteilung nicht zu beanstanden.
ast/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Staatsgerichtshof Hessen zu AfD-Antrag: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43942 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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