Die nach Ansicht des EuGH unionsrechtswidrige Disziplinarkammer für Richter in Polen wird aufgelöst. Auch die zweite Kammer des polnischen Parlaments stimmte nun der Abschaffung am Donnerstag zu.
Polens Parlament hat einem Gesetzentwurf zur Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer zugestimmt. Deren Auflösung zählte zu den Bedingungen, von denen die EU-Kommission ihre Freigabe des polnischen Corona-Aufbauplans abhängig gemacht hatte. Bereits Ende Mai hatte die andere der zwei Kammern des polnischen Parlaments dem zugestimmt.
"Über Polen hängt eine schwarze russische Wolke. Wir müssen heute eng zusammenarbeiten, wir brauchen Einigkeit bei dieser wichtigen Abstimmung", appellierte Regierungschef Mateusz Morawiecki vor der Entscheidung an die Parlamentarier.
Die Disziplinarkammer Polens ist ein Bestandteil der umstrittenen Justizreformen des Landes gewesen, die auch schon mehrfach Thema am Europäischen Gerichtshof (EuGH) waren. So entschied er im Sommer 2021, dass die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am Obersten Gericht des Landes nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richterinnen und Richtern diene. Die Mitglieder der Disziplinarkammer wurden nämlich vom Landesjustizrat ausgewählt, der eigentlich die Unabhängigkeit der Richter garantieren soll. Doch seit der PiS-Justizreform Ende 2017 werden die Mitglieder des Gremiums vom Sejm, eine der beiden Kammern des polnischen Parlaments, und nicht mehr von anderen Richtern gewählt. Das sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip der Union, meinte der EuGH. Polen kündigte dann an, die Kammer abschaffen zu wollen.
Kritik an Kommissionsentscheidung aus Straßburg
Die Novelle geht auf einen von Präsident Andrzej Duda im Februar eingebrachten Entwurf zurück. Sie sieht die Auflösung der Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof vor, die jeden Richter bestrafen und entlassen kann. Die dort gegenwärtig tätigen Höchstrichter können in eine andere Kammer wechseln oder in den Ruhestand gehen. Anstelle der umstrittenen Disziplinarkammer soll eine neue "Kammer für berufliche Verantwortung" eingerichtet werden. Das Gesetz muss nun noch von Duda unterzeichnet werden.
Die EU-Kommission hatte sich vergangene Woche nach langem Streit mit der polnischen Regierung auf einen Plan für die Auszahlung der Corona-Hilfen geeinigt. Das Land kann auf mehr als 35 Milliarden Euro hoffen. Die Genehmigung des polnischen Plans wurde immer wieder verschoben, weil von der Leyen eklatante Mängel im polnischen Rechtsstaat kritisierte, und zunächst Reformen forderte. Vor allem aus dem Europaparlament gab es heftige Kritik an der Entscheidung der EU-Kommission, den Aufbauplan zu billigen.
Am Donnerstag stimmte schließlich eine große Mehrheit der Europaabgeordneten in Straßburg für eine Resolution, in der die Entscheidung der EU-Kommission scharf kritisiert wird. Die Parlamentarier verweisen auf anhaltende Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in Polen und betonen, dass die Einhaltung von EU-Werten eine Vorbedingung für den Zugang zu dem Corona-Fonds sein müsse. Polen müsse alle einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umsetzen, bevor der nationale Aufbauplan durch die EU-Staaten genehmigt werden könne. Die in dem Plan festgelegten Etappenziele sind aus Sicht des Parlaments nicht ausreichend.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Abstimmung im Parlament: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48708 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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