Das OVG NRW hat entschieden, dass die massenhafte Tötung männlicher Küken nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Die Tiere sterben aus einem vernünftigen Grund: der Wirtschaftlichkeit der Betriebe und der Versorgung der Bevölkerung.
Die umstrittene Praxis, männliche Küken nach dem Schlüpfen zu töten, verstößt nicht gegen das Tierschutzgesetz. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster am Freitag entschieden (Urt. v. 20.05.2016, Az. 20 A 488/15 und 20 A 530/15). Das OVG bestätigte damit mehrere Urteile von Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen gegen einen Erlass der rot-grünen Landesregierung.
Durch das Ausbrüten von Hühnereiern entstehen je zur Hälfte weibliche und männliche Küken. Da zur Fleischerzeugung ganz überwiegend Tiere aus spezialisierten Fleischrassen eingesetzt werden, werden die männlichen Küken der Legehennenrassen, weil sie zu wenig Fleisch ansetzen, kurz nach dem Schlüpfen getötet. In Deutschland betraf das im Jahr 2012 etwa 45 Millionen männliche Küken.
Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne) hatte das Töten aus rein wirtschaftlichen Gründen 2013 per Erlass unterbinden wollen. Zwei Kükenbrütereien aus Ostwestfalen klagten gegen den Erlass der Landesregierung. Und bekommen nun auch vom OVG Recht.
Hahn-Aufzucht wäre zu aufwändig
Das Töten von Eintagsküken ist mit dem Tierschutzgesetz vereinbar, entschied der Senat. Die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken sei für die Brütereien mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden. Technische Verfahren, um nur noch Eier mit weiblicher DNA auszubrüten, seien zudem noch nicht praxistauglich. Auch die Bundesregierung lehnt ein Verbot der Kükentötung ab und setzt auf technische Lösungen, die 2017 marktreif sein sollen. Dabei wird bereits vor dem Schlüpfen erkannt, welches Geschlecht der Embryo hat.
Aufgezogene Küken könnten von den Brütereien praktisch nicht vermarktet werden, hieß es in der Mitteilung des Gerichts, ausgewachsene Hähne seien allenfalls ein Produkt für eine kleine Absatznische. Die Tötung der Küken sei daher Teil der Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch, deren wirtschaftliche Gestaltung für die Brütereien als Erzeuger der Küken unvermeidbar sei. Hiervon seien auch die für den Tierschutz verantwortlichen staatlichen Stellen über Jahrzehnte hinweg unter Geltung des Tierschutzgesetzes einvernehmlich mit den Brütereien ausgegangen.
In der mündlichen Verhandlung verwies das Gericht am Freitag darauf, dass es nur darüber entscheiden könne, ob die klagenden Kükenbrütereien ohne vernünftigen Grund töten würden. "Nur diese Frage gilt es für uns heute zu bewerten", sagte der Vorsitzende Richter Franz Oestreich. Ob es in der Sache einen gesellschaftlichen Wandel beim Tierschutz gebe, könne das Gericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen.
Auch Strafrecht hilft nicht weiter
Umweltminister Remmel hat das Urteil am Freitag als "herbe Niederlage für den Tierschutz" bezeichnet. "Auch 14 Jahre nach der Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz ist es weiterhin möglich, tierschutzwidrige Praktiken wie das Schreddern und Ersticken von jährlich 48 Millionen Küken durchzuführen", kritisierte er in Düsseldorf. "Tiere sind aber keine Abfallprodukte, die nur wegen der Gewinnmaximierung getötet werden dürfen."
Auch mit Hilfe des Strafrechts kann die umstrittene Praxis nicht unterbunden werden. Die Staatsanwaltschaft Münster hatte zwar gegen Betreiber von Brütereien im Münsterland Anklage wegen des massenhaften Tötens männlicher Küken erhoben, weil sie die Praxis mangels vernünftigen Grundes für einen strafbaren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz hält. Die Anklage wurde aber nicht zugelassen, auch die Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluss hatte keinen Erfolg.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
OVG NRW kippt rot-grünen Erlass: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19436 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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