OVG Berlin-Brandenburg zur Zweitwohnungssteuer: Kein Trink­wasser, keine Steu­erpf­licht

von Hasso Suliak

28.08.2023

Erfolg für zwei Datscheneigentümer: Sie müssen keine Zweitwohnungssteuer zahlen, wenn der Zugang zum Trinkwasser fehlt. Mit ihrem Argument, man könne sich ja auch mit Wasser aus dem Supermarkt versorgen, ging die Gemeinde vor Gericht baden.

Viele Berlinerinnen und Berliner haben im brandenburgischen Umland einen Garten mit einer Datsche bzw. kleinem Bungalow. Genutzt wird dieser oft nur an den Wochenenden oder in den Ferien. Soweit die Behausung zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist, fällt für die Eigentümerinnen und Eigentümer in der Regel auch eine Zweitwohnungssteuer an.

So etwa in der In der Gemeinde Lindow (Mark) in der brandenburgischen Ostprignitz. Die entsprechende Satzung der Gemeinde sieht in § 3 eine Zweitwohnungssteuer vor, wenn die Wohnfläche mindestens 23 Quadratmeter beträgt "sowie eine Form der Wasserversorgung auf dem Grundstück, auf dem die Wohnung aufsteht, sowie eine Form der Elektroenergieversorgung, sowie eine Abwasserentsorgungsmöglichkeit in vertretbarer Nähe aufweist".

Datscheneigentümer: Verschmutzter Brunnen keine "Wasserversorgung"

Zwei Grundstückseigentümer einer noch zu DDR-Zeiten erbauten Ferienhaussiedlung, gelegen am idyllischen Vielitzsee am Rande Lindows, wandten sich nun gegen die jährliche Heranziehung der Steuer in Höhe von rund 200 Euro durch die Kommune und klagten vor dem Verwaltungsgericht. Zur Begründung führten sie an, dass ihr Grundstück nicht über eine Versorgung mit Wasser verfüge, dass den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspreche.

So sei die Versorgung mit Grundwasser aus einem Brunnen für sie mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Als Beleg dienten den Klägern Gutachten anerkannter Trinkwasserinstitute. Diese hatten eine deutliche Trübung des Brunnenwassers festgestellt sowie eine Überschreitung der Grenzwerte für Eisen und Mangan. Auch roch das Wasser zeitweise nach Fäkalien. Ein derart verunreinigtes Wasser, so die Datscheneigentümer, könne jedenfalls nicht von § 3 der Gemeindesatzung gemeint sein, wenn dort "Wasserversorgung" zur Voraussetzung für die Steuerpflicht gemacht werde.

Gemeinde: "Trinkwasser aus dem Supermarkt als Wasserversorgung ausreichend" 

Dieser Auffassung widersprach die beklagte Gemeinde Lindow. Unter anderem auch mit der Begründung, es sei doch ausreichend, wenn sich die Eigentümer im nächsten Supermarkt mit Trinkwasser versorgen könnten. Im Übrigen könne - wie bei der Grundsteuer - eine fehlende Trinkwasserversorgung grundsätzlich nicht zum Wegfall der Steuerpflicht führen.

Mit dieser Argumentation scheiterte die Kommune nun endgültig im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg (Urt. v. 22.06.2023, Az. 12 B 8/22 u. 12 B 9/22), nachdem sie bereits in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Potsdam eine juristische Niederlage kassiert hatte (Az. VG 11 K 879/19).

OVG: Trinkwasserversorgung darf “nicht beliebiger Qualität” sein

Das OVG stellte zwar klar, dass im Zweitwohnungsrecht der Ortsgesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum habe. Stelle die Kommune aber – wie in der Satzung Lindows geschehen – als Voraussetzung auf eine Wasserversorgung ab, dürfe damit aber nicht eine Versorgung mit Wasser "beliebiger Qualität", sondern eine Versorgung mit Trinkwasser gemeint sein.

Dafür spreche auch der systematische Zusammenhang der satzungsrechtlichen Regelung selbst. Wenn dort davon die Rede sei, dass die Form der Wasserversorgung zu den notwendigen Ausstattungsmerkmalen gehöre, die zum Wohnen erfüllt sein müsste, könne damit nur Wasser gemeint sein, "das den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügt und ohne gesundheitliche Risiken etwa zum Trinken, Kochen, zur Zubereitung von Speisen oder zur Körperpflege genutzt werden kann". Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift genüge es insoweit nicht, dass das zu Wohnzwecken benötigte Trinkwasser in vertretbarer Nähe vorhanden sei oder besorgt werden könne, so das OVG.

Im Übrigen sei auch der von der Kommune ins Feld geführte Vergleich mit der Grundsteuer abwegig, so das Gericht. Dieser greife schon deshalb nicht, weil die Erhebung der Zweitwohnungssteuer auf dem eigenständigen Begriff der (Zweit-)Wohnung beruhe und es im Übrigen an einer Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern wie der Grundsteuer fehle.

Anwalt: "Entscheidung auch für andere Kommunen relevant"

Die Entscheidungen des OVG zugunsten der Datscheneigentümer sind mittlerweile rechtskräftig. Eine Revision hatte das Gericht in beiden Fällen nicht zugelassen und die Gemeinde hatte auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht verzichtet.

Lindows Prozessvertreter, der Potsdamer Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Dominik Lück, bedauerte die juristische Niederlage. Gegenüber LTO äußerte Lück die Vermutung, dass die eigentlich nur zwischen den Prozessparteien Wirkung entfaltenden Entscheidungen auch über die Einzelfälle hinaus Bedeutung haben könnten: "Kommunen, die in ihren Satzungen ähnliche Voraussetzungen für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer formuliert haben, sollten sich die Urteile des OVG Berlin-Brandenburg sehr genau anschauen." Schließlich erfolge in Datschengebieten die Wasserversorgung vielfach noch über privaten Brunnen. Deren Trinkwasserqualität sei nach den Urteilen nun zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer.
 
Die Stadt Lindow wird nach Angaben des Anwalts nun alsbald ihre Satzung überarbeiten und dabei künftig auf eine Erhebung von Zweitwohnungssteuern für Grundstücke ohne nachgewiesenen Trinkwasseranschluss verzichten. Entsprechend bereits ergangene Steuerbescheide würden mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.

In die Röhre gucken werden damit wohl all diejenigen Datscheneigentümer, die bislang trotz fehlender Trinkwasseranbindung "brav" die Steuer bezahlt haben. Eine Rückerstattung ihrer Zweitwohnungssteuer seitens der Gemeinde wird es vermutlich nicht geben.

Transparenzhinweis: Der Autor ist Miteigentümer eines Grundstücks in der Gemeinde Lindow ohne Trinkwasseranbindung, aber nicht einer der Kläger in einem der Verfahren. Die entsprechenden Zweitwohnungssteuerbescheide hat er bislang immer unbeanstandet gelassen.

Zitiervorschlag

OVG Berlin-Brandenburg zur Zweitwohnungssteuer: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52576 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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