OLG legt dem EuGH vor: Ver­ga­be­st­reit um Sch­nell­la­de­s­tellen an Auto­bahnen

von Antonetta Stephany

19.06.2023

Tank & Rast hat die Konzession für 90 Prozent aller deutschen Autobahnraststätten. Das Verkehrsministerium beauftragte das Unternehmen jetzt noch mit dem Betrieb von Schnellladesäulen auf Raststätten – doch dagegen erhob sich Widerstand.

90 Prozent aller Autobahnraststätten in Deutschland werden von der Autobahn Tank & Rast GmbH & Co. KG betrieben beziehungsweise von ihr verpachtet, Grundlage sind Ende der 1990er Jahre geschlossene Konzessionsverträge mit dem Bundesverkehrsministerium. Damals hieß das Unternehmen aber noch "Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen" und gehörte dem Bund selbst. Dieser vergab inhouse von 1996 bis 1998 Konzessionsverträge für Raststätten und Tankstellen an diese bundeseigene Gesellschaft, die 1998 privatisiert wurde und seitdem Tank & Rast heißt.

Die Verträge blieben aber, gelten bis heute - und wurden nun noch um einen weiteren Aspekt ergänzt: Das Errichten und Betreiben von Schnellladestationen. Ob diese Ergänzung ohne ein Vergabeverfahren zufällig war, muss nun das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) klären. 

Schnellladeinfrastruktur an deutschen Autobahnen 

Das Bild einer klassischen Raststätte beziehungsweise Tankstelle wandelt sich seit einigen Jahren: Zum Angebot gehören nun auch Ladestationen für Elektroautos. Dabei sind auf Autobahnen natürlich vor allem Schnellladesäulen entscheidend für das Voranbringen der Elektromobilität. Während diese beispielsweise in den Niederlanden bereits an jeder Raststätte oder Tankstelle an der Autobahn zu finden sind, hinkt Deutschland hinterher. 2021 wurde dazu nun das Schnellladegesetz (SchnellLG) erlassen, dass den Aufbau der Schnellladeinfrastruktur in ganz Deutschland erlassen. 

Dieses Gesetz sieht nun in § 5 SchnellLG vor, dass solche Schnellladestationen auch an Autobahnen vorhanden sein sollen. § 5 Abs. 3 SchnellLG bestimmt, dass der Betrieb dieser Schnellladepunkte den Unternehmen angeboten werden soll, die bereits einen Konzessionsvertrag für die jeweilige Raststätte oder Tankstelle an der Autobahn haben. Das Bundesverkehrsministerium schloss daher mit Tank & Rast Ergänzungsvereinbarungen zu den bereits bestehenden Konzessionsverträgen, ohne anderweitig auszuschreiben. 

Kein öffentliches Vergabeverfahren für Schnellladestellen

Die Bekanntgabe dieser Vergabe führte allerdings zu Unmut bei einer Anbieterin für genau solche Ladestationen. Sie beantragte ein Nachprüfungsverfahren, da die Ergänzungsvereinbarungen zwischen Tank & Rast und dem Bundesverkehrsministerium unwirksam seien. Sie würden nämlich gegen Vergaberecht verstoßen, da eine vorherige EU-weite Bekanntmachung erforderlich gewesen wäre. 

Die Vergabekammer Rheinland wies den Antrag jedoch zurück. Nach § 132 des Gesetztes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei die zusätzliche Vereinbarung zwischen dem Verkehrsministerium und Tank & Rast nämlich zulässig. Zwar werden darin grundsätzlich entsprechende Vergabeverfahren vorgesehen, allerdings finden sich Ausnahmen in Abs. 2. Wenn nämlich der öffentliche Auftraggeber bei Abschluss des ursprünglichen Vertrages noch nicht absehen konnte, dass die Vertragserweiterung erforderlich sein würde, und der Gesamtcharakter des Vertrages sich nicht ändere, sei kein Vergabeverfahren nötig. So sei es nun im vorliegenden Fall, der Bund konnte 1998 noch nicht absehen, dass heute Schnellladestationen erforderlich seien. 

OLG Düsseldorf legt dem EuGH vor

Dagegen legte die Anbieterin von Schnellladeinfrastruktur Beschwerde beim Vergabesenat am OLG ein. Der Senat entschied nun, dass die folgende Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgelegt werden müsse: "Ist Art. 72 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2014/24/EU dahingehend auszulegen, dass in seinen Anwendungsbereich auch solche öffentlichen Aufträge fallen, die zuvor außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2014/24/EU an eine Inhouse-Einrichtung vergeben worden sind, jedoch die Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe im Zeitpunkt der Vertragsänderung nicht mehr vorliegen?"

Die angesprochene Richtlinie betrifft gerade die Vergabe öffentlicher Aufträge. Es bleibt also abzuwarten, ob die Vergabe des Auftrags zur Errichtung und zum Betrieb von Schnellladestationen an den deutschen Autobahnen vom Bundesministerium an Tank & Rast mit dem EU-Recht vereinbar ist. Damit würden in Zukunft 90 Prozent dieser Stationen von Tank & Rast betrieben. Ein neues Vergabeverfahren würde auch anderen Wettbewerbern Möglichkeiten eröffnen.

Zitiervorschlag

OLG legt dem EuGH vor: . In: Legal Tribune Online, 19.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52026 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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