Entwurf des Justizministeriums: Verschärfung im Sexualstrafrecht geplant

20.07.2015

Frauenrechtler schätzen, dass jede siebte Frau in Deutschland mindestens einmal im Leben schwere sexuelle Gewalt erlebt. Angeblich könnten viele dieser Übergriffe derzeit nicht bestraft werden. Das Justizministerium reagiert mit einem Entwurf.

Justizminister Heiko Maas (SPD) will das Sexualstrafrecht in Deutschland verschärfen. Künftig solle im Strafgesetzbuch ein novellierter Paragraf 179 den sexuellen Missbrauch "unter Ausnutzung besonderer Umstände" unter Strafe stellen, berichtete die taz unter Berufung auf den noch nicht öffentlich verfügbaren Gesetzentwurf. "Der Referentenentwurf befindet sich derzeit in der ressortinternen Abstimmung", sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Angaben zum genauen Inhalt wolle das Ministerium deswegen nicht machen.

Laut dem Bericht geht es bei den Plänen einerseits um sexuelle Überraschungsangriffe, vor allem aber um die Ausnutzung der Angst des Opfers vor einem "empfindlichen Übel". Angedroht sind demnach jeweils Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. So soll künftig auch der Fall erfasst werden, dass die Frau Angst vor der üblichen Gewalt des Mannes hat und deshalb den erkennbar abgelehnten Sex über sich ergehen lässt. Anders als bisher wäre es nun nicht mehr ausschlaggebend, ob der Mann in dieser Situation Gewalt anwendet oder androht.

"Wir begrüßen, dass der Bundesjustizminister Handlungsbedarf erkannt hat und das Ziel verfolgt, die Lücken im Sexualstrafrecht zu schließen", sagte Anna Hellmann von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Jede siebte Frau in Deutschland erlebe ab ihrem 16. Lebensjahr mindestens einmal in ihrem Leben schwere sexuelle Gewalt. "Nur ein Bruchteil der Vergewaltigungen führt zu einer Verurteilung der Täter", schildert die Frauenrechtlerin.

Frauenverbände begrüßen den Entwurf

Selbst wenn der Täter nachweislich sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers vorgenommen hätte, reiche das manchmal nicht aus, um den Tatbestand der sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung zu erfüllen. Vielmehr müsse der Täter dafür mit physischer Gewalt drohen, diese anwenden oder die schutzlose Lage des Opfers ausnutzen. Wenn die Betroffene aber keinen ausreichenden körperlichen Widerstand leiste oder keinen Fluchtversuch unternehme, handele es sich nach deutschem Recht nicht um eine Vergewaltigung.

Auch die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, begrüßte die Pläne: "Die Union ist schon lange der Auffassung, dass der Gesetzgeber tätig werden muss, weil die geltenden Vergewaltigungsparagrafen nicht alle Fälle von sexuellem Missbrauch erfassen", sagte Winkelmeier-Becker laut Mitteilung. "Es ist gut, dass nun auch Minister Maas erkannt hat, dass diese Schutzlücken geschlossen werden müssen."

Strafbarkeitslücken nicht vollständig geschlossen

Anlass der Reform ist die Istanbul-Konvention des Europarats, dem 47 Staaten angehören. Nach dieser Konvention aus dem Jahr 2011 ist jede "nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung" zu bestrafen.

Nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) bleibt die Strafandrohung für Sexualdelikte auch nach der geplanten Gesetzesänderung hinter Maßgaben internationaler Übereinkommen zurück. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums trage nicht zu einem wirklich besseren Schutz der sexuellen Selbstbestimmung bei, sagte sie. Kuder verwies darauf, dass in der Begründung des Entwurfs schon vom Ministerium selbst eingeräumt werde, dass mit der vorgesehenen Minimaländerung bestehende Strafbarkeitslücken nicht vollständig geschlossen werden.

Kritiker übergangen

Keine Berücksichtigung gefunden haben offensichtlich die kritischen Stimmen, die monierten, dass eine Ausweitung des derzeitigen Sexualstrafrechts überflüssig sei. Ihr Hauptkritikpunkt bestand darin, dass schon heute sexuelle Handlungen strafbar sind, die mittels Gewalt, Drohung oder Ausnutzung einer schutzlosen Lage ermöglicht werden. Straflos sei lediglich der Fall, in dem das Opfer zwar erklärt, den Sex nicht zu wollen, ihn anschließend jedoch über sich ergehen lässt, ohne, dass Gewalt angewendet oder ihm gedroht worden wäre oder es sich in einer schutzlosen Lage befände.

Solche Fälle seien praktisch kaum vorstellbar. Erst Recht seien sie nicht beweisbar, denn der bloße entgegenstehende Wille lasse sich nicht nachweisen. Auch die seitens der Frauenverbände zitierten Fallzahlen von auf Grund angeblicher Strafbarkeitslücken zu Unrecht straflos gebliebener, eigentlich sanktionswürdiger Taten im derzeitigen System seien maßlos überzogen. 

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Entwurf des Justizministeriums: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16300 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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