Eine trans Frau darf nicht im Frauenfitnessstudio trainieren, berichtete im Mai das Nachrichtenportal NiUS – und bezeichnete sie dabei als Mann. Dagegen wehrt sie sich nun erfolgreich vor Gericht. Für NiUS-Chef Julian Reichelt ein Déjà-vu.
Im März wollte eine transidente Frau Mitglied in einem Erlanger Frauenfitnessstudio werden. Die Frau hat ihren Geschlechtseintrag vor Jahren auf "weiblich" ändern lassen, sie nimmt Hormone, aber eine operative Geschlechtsangleichung hat nicht stattgefunden. Nachdem die Frau ihrerseits auf ihre Transgeschlechtlichkeit hingewiesen hatte, verwehrte ihr die Betreiberin eine Mitgliedschaft. Nur cis Frauen dürften hier trainieren, also solche, bei denen zugeschriebenes Geschlecht und geschlechtliche Identität übereinstimmen. Daneben auch trans Frauen zum Trainingsbetrieb zuzulassen, widerspreche dem Studiokonzept als Schutzraum für Frauen. Auch ein Kompromiss fand sich nicht.
Der Fall erlangte bundesweite Aufmerksamkeit, nachdem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sich mit einem Schreiben an das Fitnessstudio eingeschaltet und zum Versuch einer gütlichen Streitbeilegung eine Entschädigung von 1.000 Euro vorgeschlagen hatte. Neben LTO berichteten auch andere Medien, zuerst allerdings das von Ex-Bild-Chef Julian Reichelt geführte Nachrichtenportal “NiUS” in einem Artikel vom 30. Mai mit der Überschrift: "Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will."
Dem Bericht folgten weitere NiUS-Artikel, auch hier war stets von einem Mann die Rede, der sich Zugang zu dem Fitnessstudio habe verschaffen wollen. Die falsche Anrede einer (trans) Frau als Mann oder umgekehrt nennt man Misgendern. Das ist keine zulässige Meinungsäußerung, sondern ein Angriff auf die Menschenwürde, entschied nun das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Mit dem Eilbeschluss (v. 18.07.2024, Az. 2-03 O 275/24), der LTO vorliegt, untersagte das LG NiUS einstweilen nicht nur die falsche Anrede, sondern auch die Verbreitung eines Fotos und des Klarnamens der Betroffenen.
"Angriff auf ihre Menschenwürde"
Die Begründung fällt knapp aus. Hinsichtlich des Misgenderns begnügte sich das Gericht mit der Feststellung: "Die Bezeichnung einer Frau als Mann und die Verwendung des männlichen Geschlechts bzw. Pronomens in Bezug auf eine Frau stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf ihre Menschenwürde dar."
Längere Ausführungen sind wohl auch deshalb nicht nötig, weil das LG Frankfurt selbst sowie das dortige Oberlandesgericht (OLG) im vergangenen Jahr bereits einen ähnlichen Fall entschieden hatten. Auch hier war ein Unternehmen von Julian Reichelt, das Inhalte für NiUS produziert, Verfügungsbeklagter: In einem Artikel wurde die Journalistin Janka Kluge als 60-jähriger Mann bezeichnet. LG und OLG sahen darin im Gesamtkontext des Blogposts eine Meinungsäußerung, die auf Diffamierung Kluges angelegt sei.
Diese Maßstäbe dürfte das LG auch hier angewendet haben. Das Gericht wertet die zahlreichen Beispiele für die falschen Anreden der Fitnessstudio-Bewerberin als "schmähend". Damit ist klar, dass das LG in der Bezeichnung als Mann, "Herr Transfrau" oder als "Herr in Damenbekleidung" Meinungsäußerungen und nicht etwa Tatsachenbehauptungen sieht.
Auch Foto und Namensnennung unzulässig
Ferner verbot das Gericht NiUS, Fotos der Betroffenen zu veröffentlichen. In mehreren Artikeln hatte das Portal veraltete Fotos der trans Frau verwendet, die ihre Männlichkeit vermeintlich belegen sollen. Das LG sah darin eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG). Gemäß § 22 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. § 23 KUG enthält Ausnahmen von dieser Regel, u.a. für Personen der Zeitgeschichte.
Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, so das LG. Eine Ausnahme greife nicht ein: "Die Antragstellerin ist keine Person der Zeitgeschichte." Dass NiUS die Fotos verpixelt hatte, sei ebenfalls nicht ausreichend, um eine Veröffentlichung des Fotos zu erlauben. Denn: "Die Antragstellerin bleibt ohne weiteres erkennbar, jedenfalls – was ausreichend – ist, für ihren Freundes- und Bekanntenkreis."
Schließlich beanstandete das Gericht auch, dass in einigen der insgesamt sieben angegriffenen Artikel der Vor- und Nachname der Betroffenen genannt wurde. Eine solche Identifizierung verstoße gegen das "Allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts", so das LG.
Damit hatte die von der TIN Rechtshilfe* unterstützte und von Dr. Katrin Giere (Dunkel Richter Rechtsanwältinnen) vertretene Frau überwiegend Erfolg.
Antidiskriminierungsstelle scheiterte gegen NiUS
In einem Teil, den das Gericht in der Kostenentscheidung mit 20 Prozent veranschlagte, lehnte es den Unterlassungsantrag jedoch ab. Dabei ging es zum einen darum, NiUS die Meinungsäußerung zu verbieten, dass nur Frauen Mitglieder eines Frauenfitness-Studios sein sollen, deren Geburtseintrag weiblich ist. Zum anderen hatte die Frau versucht, gegen das Wort "Mit-Glied-schaft" in einem der Artikel vorzugehen. Beides ist nach Auffassung der Frankfurter Pressekammer jedoch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch die Äußerung, die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman unterstütze die Frau darin, "Zugang zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen und Frauenduschen" zu erhalten, hielt das LG für zulässig. Die Betroffene sieht darin eine unwahre Tatsachenäußerung, weil sie selbst dem Fitnessstudio letztlich vorgeschlagen habe, auf das Duschen und die Nutzung der Umkleiden zu verzichten. Da sie laut Antragsschrift aber zunächst vorgeschlagen hatte, mit Badehose zu duschen, sei die Äußerung in diesem Kontext als "wahre Tatsachenbehauptung mit wertenden Inhalten im Rahmen eines öffentlichen Diskurses" zu sehen.
Die von Ataman geleitete Antidiskriminierungsstelle hingegen scheiterte kürzlich vor dem LG Berlin sowie dem Kammergericht mit Unterlassungsanträgen gegen NiUS. Zwar beanstandeten die Gerichte auch hier einzelne Passagen, jedoch werde die Behörde hierdurch nicht in ihrer Funktion beeinträchtigt. Dies muss aber gegeben sein, wenn eine staatliche Stelle Meinungsäußerungen gerichtlich untersagen lassen will. Diese Voraussetzung war nach Ansicht des Kammergerichts allerdings "nicht einmal ansatzweise" erfüllt.
Privatpersonen hingegen müssen eine solche Voraussetzung nicht erfüllen, da hier bereits die Unzulässigkeit der Äußerung das Persönlichkeitsrecht verletzt und damit den Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 (analog) Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz begründet. NiUS hat sich an dem Verfahren bislang nicht beteiligt. Unklar ist, ob das Portal Widerspruch gegen den Beschluss einlegen wird. Eine entsprechende Anfrage von LTO blieb bis Donnerstagmorgen unbeantwortet.
* An dieser Stelle hieß es zunächst unzutreffend, die Antragstellerin sei von HateAid unterstützt worden (korrigiert am Tag der Veröffentlichung, 11:21 Uhr).
LG Frankfurt sieht Angriff auf die Menschenwürde: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55253 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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