Bundesverwaltungsgericht kippt Berliner Regelung: Keine Ober­g­renze mehr bei Kita-Zuzah­lung

30.10.2023

Wenn Kindertagesstätten in Berlin mehr als 90 Euro Zuzahlung von Eltern verlangten, kürzte ihnen Berlin staatliche Zuschüsse. Gegen die entsprechende Regelung ging eine Kita gerichtlich vor und hatte in letzter Instanz Erfolg. 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die in Berlin geltende Obergrenze für Kita-Zuzahlungen für unwirksam erklärt. Freie Kita-Betreiber hätten die Autonomie, in ihren pädagogischen Angeboten über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe für erforderlich halten, begründete das Gericht in Leipzig am Donnerstag (Urt. v. 27.10.2023, Az.: BVerwG 5 C 6.22). Das schließe das Recht ein, die entstehenden Mehrkosten über Zuzahlungen der Eltern abzudecken. Die Bundesrichter verurteilten das Land Berlin zudem, 200 000 Euro an eine Kita-Trägerin zurückzuzahlen, die gegen die Regelungen geklagt hatte.   

Die Trägerin betreibt laut Gericht drei Kindertagesstätten mit rund 400 Betreuungsplätzen. In den Kitas gibt es bilinguale Angebote und mehr Personal als allgemein üblich. Für den höheren Aufwand wurden die Eltern zur Kasse gebeten.   

Am 1. September 2018 war in Berlin allerdings eine Obergrenze für Zuzahlungen von höchstens 90 Euro im Monat eingeführt worden. Ziel war es, allen Eltern und Kindern unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten den gleichen Zugang zu allen Angeboten zu ermöglichen. Berlin hatte 2018 die Kita-Gebühren als erstes Bundesland komplett abgeschafft.

Weil die Kita-Trägerin auf höheren Zuzahlungen bestand, kürzte das Land ihr im Gegenzug die monatliche Betriebskostenerstattung. Dagegen klagte die Betreiberin – und hatte jetzt anders als in den Vorinstanzen beim BVerwG Erfolg.

Kitas dürfen Lernkonzept selbst bestimmen, auch wenn es teuer wird

Das BVerwG entschied, das Berlin mit der Einführung einer Zuzahlungs-Obergrenze durchaus einen legitimen Zweck verfolgte, nämlich Chancengleichheit und Beitragsfreiheit zu gewährleisten. Doch die Regelung sei unverhältnismäßig, da das Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktrete. Die Trägerpluralität ist in § 3 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VIII geregelt. Dort heißt es, dass die Jugendhilfe von der Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und der Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen gekennzeichnet ist. Die strikte Obergrenze lässt laut BVerwG diese gesetzlich vorgeschriebene freie Konzeptwahl unberücksichtigt. So könnte der jeweilige Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen sein, die er durch Zuzahlungen decken will.

Die freien Träger seien wegen der ihnen gewährleisteten Autonomie befugt, in ihrem pädagogischen Leistungsangebot auch über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere freie Träger für erforderlich halten. Diese Autonomie schließe das Recht ein, nicht durch öffentliche Förderung abgedeckten Mittel durch Elternzuzahlungen zu erheben.

Ausgehend von dieser Entscheidung müsse Berlin die einbehaltenen Gelder in Höhe von etwa 200.000 Euro an die Kita-Betreiberin zurückzahle.

dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bundesverwaltungsgericht kippt Berliner Regelung: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53016 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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