Nach langem Streit über die Kindergrundsicherung hat sich die Koaltion nun geeinigt: 2,4 Milliarden Euro zusätzlich werden für 2025 veranschlagt. Die Reform soll familienpolitische Leistungen bündeln und so den Zugang zu diesen erleichtern.
"Das Ergebnis unserer Verhandlungen ist die umfassendste sozialpolitische Reform seit vielen Jahren", verkündete die federführende Familienministerin Lisa Paus (Grüne) in der Pressekonferenz am Montagvormittag. "Die Kindergrundsicherung ist der Einstieg in eine wirksame und grundlegende Bekämpfung der strukturellen Kinderarmut in Deutschland. Wir fassen alle relevanten Leistungen für Kinder zu einer Leistung zusammen, zur Kindergrundsicherung". Die Leistungen sollen so einfacher, schneller und direkter erreichbar sein, so die Ministerin.
Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 wesentliche familienpolitische Leistungen bündeln und leichter zugänglich machen. Die geplante Kindersicherung besteht aus zwei Teilen: Einer ist vom Einkommen der Eltern unabhängig, der sogenannte Kindergarantiebetrag. Abgesehen vom Namen ändere sich hier also nichts im Vergleich zum bisherigen Kindergeld, so Ministerin Paus. Bei volljährigen Kindern soll der Betrag direkt an diese selbst fließen.
Der andere Teil, der sogenannte Kinderzusatzbetrag, soll nach Alter gestaffelt werden und vom Einkommen der Eltern abhängig sein. Dies bündelt bisherige Leistungen wie das Bürgergeld für Kinder und den Kinderzuschlag.
Paus: "Der Staat als Service-Dienstleister"
In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen. "Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung", steht dazu im Koalitionsvertrag.
Familienministerin Paus führte aus, dass das Verfahren durch ein Internetportal einfacher und digitaler werde. Man müsse sein Kind in Zukunft lediglich online anmelden. Die staatliche Leistung werde als Service ausgestaltet. Der Wechsel von der Hol- zur Bringschuld des Staates sei ein echter Paradigmenwechsel, so Paus.
"Dass Menschen die Rechte, die sie haben, in Anspruch nehmen, das muss ein Anliegen moderner Sozialpolitik sein", bekräftigte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP).
"Mein Anliegen ist es, Erwerbsanreize zu erhalten. Das Beste, um Armut zu überwinden, ist Arbeit. Denn der Grund für Kinderarmut ist ja oft die Armut an Arbeit, an Integration, an Sprachkenntnissen der Eltern", so Lindner weiter. Deshalb habe man keine generellen Leistungserhöhungen verabredet. Eine Ausnahme davon sei aber die verbesserte Unterstützung von Alleinerziehenden, betonte der Finanziminister.
Bei Alleinerziehenden werden bisher hundert Prozent des Unterhaltseinkommens auf Leistungen angerechnet. Das soll nun gestaffelt werden, erklärte Lindner in der Pressekonferenz. Unterhaltszahlungen sollten künftig nur zu 45 Prozent als Einkommen in die Berechnung des Kinderzusatzbetrages einfließen. Die Privilegierung werde aber an eine Erwerbstätigkeit gekoppelt. Sobald die Kinder schulpflichtig seien, müsse eine Arbeit aufgenommen werden, um die Privilegierung zu erhalten. Alleinerziehende sollen dadurch besser unterstützt werden, so der Finanzminister.
Außerdem soll das sozioökonmische Existenzminimum insgesamt neu berechnet werden, so Lindner. Dadurch sollen die Regelsätze näher am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Das betreffe vor allem die Wohnfläche.
Einigung über Ausgabenhöhe: 2,4 Milliarden Euro zusätzlich zu bisherigen Leistungen
Zwischen Grünen und FDP hatte sich ein Dauerstreit darüber entwickelt, wie viel Geld der Staat für die Kindergrundsicherung ausgeben soll und ob Leistungen erhöht werden sollen. Familienministerin Paus hatte zuerst zwölf Milliarden Euro pro Jahr in den Raum gestellt, später nannte sie bis zu sieben Milliarden Euro als Ziel. Finanzminister Lindner legte als "Merkposten" eine Summe von zwei Milliarden Euro für sich fest. Nun haben sich die Minister geeinigt: Für die Kindergrundsicherung werden im Einführungsjahr 2025 zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt.
Ungeklärt bleibt, was passiert, wenn in Zukunft mehr Anspruchsberechtigte die Leistungen tatsächlich in Anspruch nehmen, so wie es das Gesetz erreichen soll. Dann dürften sich die Gesamtkosten erhöhen.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisierte die geplante Kindergrundsicherung als unzureichend. "Das darf nur ein Anfang sein, denn dieser Kompromiss ist noch keine echte Antwort auf die grundsätzliche strukturelle Problematik von Kinder- und Familienarmut in Deutschland", äußerte die Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sieht die Einigung der Ampel-Koalition auf eine Kindergrundsicherung positiv. "Wir gehen so wirksam gegen Kinderarmut und verdeckte Armut vor. Wir investieren in soziale Teilhabe und Bildung", sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Der Gesetzentwurf könne nun zügig im Kabinett verabschiedet und im Parlament beraten werden. "Das ist eine gute und wichtige Nachricht für 5,6 Millionen Familien und ihre Kinder, die von Armut betroffen sind."
Die Gesetzespläne sollen nun weiter in der Regierung abgestimmt werden. Nach der Beteiligung von Ländern und Verbänden soll ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden. Bis es zu einer Abstimmung im Bundestag kommt, können sich somit noch Änderungen ergeben.
mit Material der dpa
Ampel-Koalition hat sich geeinigt: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52574 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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