Das OVG von Sachsen-Anhalt hat das Verbot von Demonstrationen unmittelbar vor dem Wohnhaus von zwei früheren Strafgefangenen in Insel bei Stendal bestätigt. Der Schutz, nicht einem auf Vertreibung ausgerichteten psychischen Druck ausgesetzt zu sein, gehe der Durchführung von Versammlungen vor.
In Insel (Stadt Stendal) protestieren seit Monaten Einwohner gegen zwei dort in einem Wohnhaus lebende ehemalige Strafgefangene, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden waren.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat mit dem Beschluss vom Mittwoch (Az. 3 M 100/12) eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg bestätigt, dass die regelmäßig stattfindenden Versammlungen vor dem Wohnhaus der ehemaligen Strafgefangenen die öffentliche Sicherheit gefährden. Denn den Bewohnern werde die Ausübung ihres Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, namentlich ihr Recht, ihr Wohnhaus jederzeit betreten und verlassen und sich darin ungestört aufhalten zu können, allein durch die Belagerung faktisch verwehrt.
Nach Auffassung der Richter des OVG wird zudem durch die Verwendung von akustischen Hilfsmitteln wie Trillerpfeifen und Trompeten und das Skandieren von Parolen die Menschenwürde der ehemaligen Strafgefangenen verletzt. Diese massiven Angriffe seien objektiv betrachtet auf eine Zermürbung der Adressaten gerichtet und sollen sie zur Aufgabe des von ihnen gewählten Wohnsitzes zwingen. Derartigen Angriffen entgegenzuwirken, entspreche der Schutzpflicht des Staates (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG).
Ein wirksamer Schutz der in der Ortschaft Insel wohnenden ehemaligen Strafgefangenen, wenigstens in ihrem privaten Wohnumfeld nicht wöchentlich fortwährend Schmähungen und Beleidigungen und einem auf ihre Vertreibung ausgerichteten psychischen Druck ausgesetzt zu sein, überwiege daher das Interesse der Versammlungsteilnehmer an einer Durchführung der Versammlung unmittelbar vor dem Wohnhaus.
plö/LTO-Redaktion
OVG Sachsen-Anhalt zum Versammlungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6075 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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