Ein bundesweit bisher einmaliges Projekt: Die Hamburger Verwaltung stellt ab Oktober umfassende Daten und Dokumente zu ihrer Tätigkeit öffentlich ins Netz. Verträge, Gehaltszahlen und Zuwendungen sollen für jeden frei abrufbar sein. Das Portal ist Folge des 2012 beschlossenen Transparenzgesetzes.
Dass sich die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI) und der Chaos Computer Club (CCC) gleichermaßen über staatliches Handeln freuen, kommt nicht oft vor.
Üblicherweise klagen beide Institutionen eher über die Geheimniskrämerei oder digitalen Überwachungsideen der öffentlichen Hand. In diesem Fall sind sie sich hingegen einig: Was Hamburg von Mittwoch an praktiziert, ist ein grundlegender Wandel im Selbstverständnis der Verwaltung und kommt einer Informationsrevolution gleich. Denn ab jenem Tag startet offiziell und bundesweit einmalig das Transparenzportal der Hansestadt Hamburg.
Vom 6. Oktober an ist die Stadt gesetzlich verpflichtet, sämtliche Informationen, von Verträgen bis hin zu Details über Zuwendungen an Firmen und Organisationen, von sich aus unter http://transparenz.hamburg.de ins Internet zu stellen. Dort finden sich dann unter anderem auch alle Senatsentscheidungen, Geo- und Umweltmessdaten sowie Baugenehmigungen.
Ein Vorbild auch für andere Bundesländer?
"Das hat bislang noch niemand gemacht", sagt Michael Hirdes vom Chaos Computer Club. Auch Gerd Leilich von TI Deutschland ist voll des Lobes und schließt ausdrücklich die früheren Skeptiker ein, die sich während der fast zwei Jahre dauernden Vorbereitungen zu Anhängern des Portals gewandelt hätten.
Selbst die Justizbehörde ist stolz. Sie verweist etwa darauf, dass sie sich an das Budget von rund 5,2 Millionen Euro für die Projektphase gehalten hat und die 1,4 Millionen Euro für den jährlichen Betrieb realistisch seien. "Ich bin überzeugt, dass es für viele andere Bundesländer ein Vorbild sein wird", sagte unlängst Justiz-Staatsrat Nikolas Hill (CDU) dem Hamburger Abendblatt.
Nicht nur für wissbegierige Bürger ist das Portal ein großer Schritt. Noch umwälzender sind die Veränderungen für die Verwaltung selbst. Galt der Ausschluss der Öffentlichkeit in den Amtsstuben über Jahrhunderte hinweg quasi als Selbstverständlichkeit und wurden Informationen - wenn überhaupt - nur auf Antrag herausgegeben, müssen die Verantwortlichen nun grundlegend umdenken. Denn all ihr Handeln wird nun unmittelbar sicht- und überprüfbar. Fehlt etwa in einem Vertrag der Hinweis auf den gesetzlichen Mindestlohn oder stimmen Ausschreibung und Vergabe nicht genau überein, bleibt das nach Hirdes Überzeugung nicht mehr verborgen. Und nicht nur das: Da Verträge künftig schon 30 Tage vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht sein müssen, sind Korrekturen möglich.
Geschäftsgeheimnisse nicht in Gefahr
Die Kritik der Handelskammer Hamburg, dass so Geschäftsgeheimnisse in Gefahr seien, ist für Hirdes unverständlich. "Ich habe in meinem Leben noch keine Geschäftsgeheimnisse in Verträge geschrieben", sagt der selbstständige IT-Systemadministrator. Für Transparency hat die Veröffentlichung zudem eine präventive Wirkung. Denn wer jederzeit entdeckt werden kann, unterzeichne "faule Verträge" erst gar nicht, glaubt Leilich. Die Gefahr, dass bei den Datenmengen im Portal, die laut Justizbehörde schon jetzt 33 Millionen Blatt Papier entsprechen, brisante Informationen untergehen könnten, sehen weder der CCC noch TI. Schließlich seien die Daten maschinenlesbar. Ein interessantes Tätigkeitsfeld sei damit auch für App-Entwickler eröffnet, die beispielsweise eine Art News-Alarm für alle oder bestimmte neu eingestellte Verträge programmieren könnten.
Hamburgs Transparenzgesetz trat als Ersatz für das bisherige Informationsfreiheitsgesetz am 6. Oktober 2012 in Kraft und beruht auf der Volksinitiative "Transparenz schafft Vertrauen". Ihr gehörten neben TI und dem CCC der Verein Mehr Demokratie an. Sie alle formulierten unter Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten federführend das Gesetz, welches vom Parlament einstimmig übernommen wurde. Auch aus diesem Grund geben sich Leilich und Hirdes selbst die Schuld, dass ein aus ihrer Sicht wichtiger Punkt vergessen wurde - nämlich auch der "mittelbaren Staatsverwaltung" eine Informationspflicht zu verordnen.
"Das ist nicht ganz glücklich gelaufen", räumt Leilich ein. Dabei wäre es aus seiner Sicht durchaus wünschenswert, dass etwa auch die Universitäten oder der Norddeutsche Rundfunk (NDR) als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre Geschäftstätigkeiten offenlegen. Für Hirdes zählt dazu auch die Handelskammer, die bislang nicht einmal die Ergebnisse ihrer Präses-Wahlen veröffentlichen will. Dennoch sind Hirdes und Leilich sich einig, dass eine noch weitere Transparenz sich in Zukunft von selbst ergeben wird. "Ich sehe nicht, dass das aufzuhalten ist", sagt Hirdes.
dpa/una/LTO-Redaktion
Hamburgs Verwaltung öffnet Aktenschränke: . In: Legal Tribune Online, 01.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13329 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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