Grundrechte-Report 2021: Corona infi­ziert auch die Men­schen- und Bür­ger­rechte

von Hasso Suliak

26.05.2021

Nach Meinung von Bürgerrechtlern hat die Pandemie nicht nur zu erheblichen Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürger geführt. Infolge der Corona-Maßnahmen hätten sich auch prekäre Lebensverhältnisse vieler Menschen zugespitzt.

Der Grundrechte-Report 2021, in dem Bürgerrechtsorganisationen jährlich die Öffentlichkeit über den Umgang mit Bürger- und Menschenrechten in Deutschland informieren, steht in diesem Jahr ganz im Zeichen von Corona und der Auswirkungen der Pandemiebekämpfung auf die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bevölkerung.

Schwerpunkt des Berichts, der den Zeitraum bis Dezember 2020 beleuchtet, sind nach Worten der Herausgeber:innen  die "ungleichen (Un-)Freiheiten, die diese Krise mit sich gebracht hat – oder die durch sie noch akuter geworden sind." Sie beklagen: Sowohl unter den Bedingungen der Pandemie als auch abseits von Corona hätten sich im vergangenen Jahr staatliche Institutionen allzu oft nicht als Garantinnen der Bürgerrechte erwiesen, sondern vielmehr "zu ihrer Aushöhlung" beigetragen.

Neben den Auswirkungen der Pandemie finden sich im Grundrechte-Report auch Beiträge zu Themen wie Rassismus, Asyl, Gleichstellung und Überwachung. Auch die Klimakrise wird thematisiert. In einem Beitrag der Juristin Myriam von Fromberg ist bereits - lange bevor das BVerfG entsprechend im April dieses Jahres urteilte - von einem "Grundrecht auf Klimaschutz" die Rede.

"Durchseuchung" in Sammelunterkünften für Schutzsuchende

"Besorgniserregende Angriffe auf die Grundrechte" verzeichneten die Herausgeber:innen  des Reports im Jahr 2020 "einmal mehr" im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts: Hierzu hätten unter anderem die Blockade der Bundesregierung bei der Aufnahme von Geflüchteten, die Auseinandersetzung um die Höhe von und den Zugang zu Sozialleistungen sowie die gesundheitsgefährdende Unterbringung in den Unterkünften geführt. Einem der zahlreichen Report-Beiträge zufolge hat es etwa für Asylsuchende bei ihrem monatelangen Aufenthalt in Sammelunterkünften keinen angemessenen Schutz vor dem Coronavirus gegeben. Die Betroffenen seien vielmehr in Lagern einer "Durchseuchung" ausgesetzt gewesen.

(c) Humanistische Union

Im Rahmen der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind dem Report zufolge auch "erhebliche Eingriffe in die Versammlungsfreiheit" erfolgt. Mitunter habe es dabei auch groteske gerichtliche Entscheidungen gegeben: So wurde etwa eine Versammlung verboten, bei denen nur Schuhe stellvertretend für die Demonstrierenden aufgestellt werden sollten. Eine "versammlungsfreundlichere" Rechtsprechung habe sich bei den Verwaltungsgerichten erst nach zwei bedeutenden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts im April 2020 durchgesetzt.

Augenmerk legt der Grundrechte-Report auch in seiner neuesten Ausgabe auf das Thema Rassismus: Auch im letzten Jahr sei deutlich geworden, wie sehr Rassismus und rechtes Gedankengut durch staatliche Institutionen und Praktiken vermittelt werde. "Wieder starben People of Color im Polizeigewahrsam unter bis heute nicht hinreichend aufgearbeiteten Umständen", beklagen die Bürgerrechtsorganisationen. Polizei und Politik hätten Ereignisse wie die "Stuttgarter Krawallnacht" rassistisch aufgeladen. 

"Clankriminalität" als Ausdruck rassistischer Kriminalisierung 

Auch hätten sie sich "andernorts vermehrt des Konstrukts der 'Clankriminalität' zur Rechtfertigung rassistischer Kriminalisierung und damit einhergehender weitreichender Grundrechtseingriffe" bedient. "Gleichzeitig versagten die Behörden, wenn es darum ging, die Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ausreichend zu schützen", heißt es im Vorwort des Reports. Beispiele hierfür seien "das Attentat von Hanau, der Abschluss des Prozesses gegen den Attentäter von Halle oder die Vorwürfe gegen Polizei und Staatsanwaltschaft im Umgang mit der rechten Anschlagsserie in Berlin-Neukölln."

Der Grundrechte-Report dokumentiert seit 1997 als Teil einer zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit den Umgang mit Bürger- und Menschenrechten in Deutschland. Herausgegeben wird der Grundrechte-Report von zehn Bürgerrechtsorganisationen: Der Humanistischen Union, des Komitees für Grundrechte und Demokratie, des Bundesarbeitskreises kritischer Juragruppen, von Pro Asyl, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins, der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Neuen Richtervereinigung, des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung sowie der Gesellschaft für Freiheitsrechte.  

Das Hauptaugenmerk liegt dabei jedes Jahr auf den staatlichen Institutionen, von denen laut Herausgeber:innen "die größten Gefährdungen der Grundrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ausgehen". In diesem Jahr finden sich in dem Bericht 43 Einzelbeiträge, die sich aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2020 widmen. Der Grundrechte-Report wird auch als "alternativer Verfassungsschutzbericht" bezeichnet.

Zitiervorschlag

Grundrechte-Report 2021: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45054 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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