Welches Gericht ist zuständig für das Flugpersonal von Ryanair? Die arbeitsrechtlichen Verflechtungen machen die Antwort schwierig. Der Generalanwalt am EuGH hat eine Sechs-Punkte-Prüfung zur Lösung der Frage entwickelt.
Problematisch, wenn der Arbeitnehmer klagen möchte, und nicht weiß, wo er das tun soll. So geht es einer Reihe von früheren Mitgliedern des Bordpersonals der irischen Ryanair. Sie wollen gegenüber der Fluggesellschaft und dem ebenfalls irischen Personaldienstleister Crewlink die Zahlung verschiedener Beträge geltend machen, unter anderem wegen nachträglicher Gehaltsanpassungen.
Doch wo sie klagen sollen, wissen sie nicht. Denn Ryanair hatte das Flugpersonal – Staatsangehörige aus Portugal, Spanien und Belgien - entweder selbst eingestellt oder Crewlink hatte die Stewards eingestellt und an Ryanair abgeordnet. In den Arbeitsverträgen ist dabei der Flughafen Charleroi in Belgien als Heimatbasis der Arbeitnehmer angegeben. Die Arbeitnehmer waren dabei vertraglich verpflichtet, weniger als eine Stunde von ihrer Heimatbasis entfernt zu wohnen und traten am Flughafen Charleroi morgens ihren Dienst an für innereuropäische Flügen und beendeten ihn auch dort.
In den Arbeitsverträgen ist aber gleichzeitig vereinbart, dass das Gehalt auf ein irisches Bankkonto überwiesen werde, irisches Recht anwendbar sei und die irischen Gerichte für Rechtsstreitigkeiten zuständig seien. Das Arbeitsgericht Charleroi erklärte sich daher für die Klagen für unzuständig und wies sie ab.
Arbeitsgerichtshof legt EuGH vor
Dagegen legten die Arbeitnehmer ein Rechtsmittel beim Arbeitsgerichtshof Mons in Belgien ein. Der legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, wie die Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit auszulegen sei. Darin ist unter anderem geregelt, dass der Arbeitgeber auch an dem Ort verklagt werden kann, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
Der Arbeitsgerichtshof möchte nun wissen, ob dieser Ort in einem Fall wie dem vorliegenden mit der Heimatbasis gleichgesetzt werden kann, weil dorthin die engste Verbindung bestehe und für den Arbeitnehmer als schwächere Vertragspartei der angemessenste Schutz gewährleistet sei.
In seinen Schlussanträgen vom Donnerstag schlägt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe vor, die ständige Rechtsprechung beizubehalten. Danach wäre bei Arbeitsverträgen, die im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erfüllt werden, das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt.
Eine Sechs-Punkte-Prüfung zur Lösung
Das nationale Gericht müsse diesen Ort im Licht aller relevanten Umstände ermitteln und dabei insbesondere sechs Aspekte berücksichtigen. Zunächst einmal den Ort, wo der Arbeitnehmer seine Arbeitstage beginnt und beendet. Als zweites, wo die Flugzeuge, an Bord deren er tätig ist, ihren gewöhnlichen Standort haben. Als drittes, wo er von Anweisungen seines Arbeitgebers Kenntnis erlangt und seinen Arbeitstag organisiert. Weitere Gesichtspunkte seien die Fragen, wo der Arbeitnehmer aufgrund vertraglicher Verpflichtung wohnen muss und wo sich ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Büro befindet. Als letztes Kriterium sei heranzuziehen, wohin sich der Arbeitnehmer im Fall der Arbeitsunfähigkeit und im Fall disziplinarischer Probleme begeben muss.
Irrelevant hingegen sei, ob die Arbeitnehmer unmittelbar bei Ryanair beschäftigt sind oder Ryanair von Crewlink zur Verfügung gestellt wurden. Ebenso spiele es keine Rolle, wo die Flugzeuge eingetragen seien. Die Heimatbasis könne hingegen relevant sein, weil dort der Arbeitstag begonnen und beendet werde.
Anwenden müsse diese Kriterien dann das nationale Gericht – in diesem Fall der Arbeitsgerichtshof in Mons. Der Generalanwalt ließ durchblicken, dass nach diesen sechs Kriterien viel für die Zuständigkeit der Gerichte des Ortes spricht, an dem sich der Flughafen Charleroi befindet.
tap/LTO-Redaktion
Ryanair-Personal sucht zuständiges Gericht: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22766 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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