Mehr als 20 Millionen Menschen haben die Filme der "Fack ju Göhte"-Reihe gesehen. Als Unionsmarke wurde der Titel in der EU allerdings nicht eingetragen, da das Zeichen sittenwidrig sei. Nun muss das Markenamt neu entscheiden.
"Fack ju Göhte" - ist dieser Titel der erfolgreichen Filmtrilogie mit Elyas M'Barek, Karoline Herfurth, Max von der Groeben und Jella Haase vulgär oder gar beleidigend? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Donnerstag das höchste Gericht der Europäischen Union. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg entschieden in einem jahrelangen Rechtsstreit, dass der Titel der Filmkomödie von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen werde. Die Richter kamen auch zu dem Ergebnis, dass das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) erneut über das von Constantin Film anmeldete Zeichen entscheiden muss (Urt. v. 27.02.2020, Az. C-240/18 P).
Die Trilogie um eine Chaotenklasse und ihren Aushilfslehrer Zeki Müller war an den Kinokassen Deutschlands ein riesiger Erfolg. Die Filme lockten deutlich mehr als 20 Millionen Zuschauer an. Der dritte Teil der Reihe war 2017 der mit Abstand erfolgreichste Kinofilm in Deutschland.
Kein Wunder, dass die Constantin Film GmbH den Titel schon 2015 als Marke schützen lassen wollte - etwa für Spiele und Schmuck. Das EUIPO lehnte die Eintragung jedoch ab. Es argumentierte, der englische Ausdruck "fuck you" ("fick dich") und somit das gesamte angemeldete Zeichen seien vulgär und Verbraucher könnten daran Anstoß nehmen. Auch die Verballhornung "Göhte", mit der ein hoch angesehener Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe verunglimpft werde, lenke nicht vom verletzenden Charakter der Beschimpfung "Fack ju/fuck you" ab.
Im deutschsprachigen Raum stritt man nicht über Verwerflichkeit des Titels
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) bestätigte diese Ansicht des EUIPO zunächst. Es beschied, das Markenamt habe zu Recht entschieden, dass "Fack ju Göhte" gegen die guten Sitten verstoße und deshalb nicht als Marke eingetragen werden könne. Die Tatsache, dass "Fack ju Göhte" seit dem Kinostart von Millionen Menschen gesehen worden war, bedeute nicht, dass Verbraucher nicht an dem angemeldeten Titel Anstoß nähmen.
Würden Produkte des alltäglichen Gebrauchs mit dem Titel versehen, so das EuG weiter, wären Verbraucher etwa beim normalen Einkauf mit ihm konfrontiert. Es sei nicht erwiesen, dass sie dann in der Marke den Titel eines erfolgreichen Films erkennen und das Ganze als Scherz auffassen würden. Dieses Argument hatte Constantin Film nämlich ursprünglich vorgebracht. Das Unternehmen legte Rechtsmittel gegen die Entscheidung beim EuGH ein, nachdem es vor dem EuG verloren hatte.
Der EuGH hob die Entscheidungen des EuG und des EUIPO nun aber auf. Beide haben laut EuGH nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Titel "Fack ju Göhte" von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen werde. Trotz des großen Erfolgs und der damit einhergehenden großen Sichtbarkeit des Titels habe dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit über diesen geführt, so der EuGH. Für den Film seien zudem jugendliche Zuschauer zugelassen worden. Darüber hinaus hätten die Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und würden vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken verwendet.
"Fuck you" können Nichtmuttersprachler anders verstehen
Dem deutschen Publikum seien der Ausdruck "Fuck you" und seine Bedeutung zwar bekannt – dennoch nehme es den Ausdruck nicht zwangsläufig genau so wahr wie ein englischsprachiges Publikum. "In der Muttersprache könne die Empfindlichkeit nämlich wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein", hieß es in einer Mitteilung des EuGH zu seiner Entscheidung. Zudem bestehe der Titel nicht aus dem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche.
Der EuGH sah daher keine plausible Erklärung dafür, dass das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen "Fack Ju Göhte" als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme.
Das EUIPO habe auch nicht hinreichend dargetan, warum die Marke nicht eingetragen werden könne, und muss nun erneut über die Anmeldung entscheiden. Der EuGH folgte damit den Empfehlungen des Generalanwalts, der in seinen Schlussanträgen ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass das EUIPO die Sittenwidrigkeit nicht isoliert von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und ihrem Kontext allein auf den wörtlichen Inhalt der Marke stützen dürfe.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
EuGH zur Unionsmarke "Fack ju Göhte": . In: Legal Tribune Online, 27.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40507 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag