Kranke Menschen dürfen nicht abgeschoben werden, wenn ihnen im Herkunftsland eine schmerzlindernde Behandlung nicht zur Verfügung steht. Das hat der EuGH auf eine Vorlage aus den Niederlanden entschieden.
Ein Drittstaatsangehöriger, der an einer schweren Krankheit leidet, darf nicht abgeschoben werden, wenn er bei Ausbleiben einer geeigneten Behandlung im Zielland dort der Gefahr einer raschen, erheblichen und unumkehrbaren Zunahme der mit dieser Krankheit verbundenen Schmerzen ausgesetzt wäre. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 22.11.2022, Az. C-69/21). Die eigene Rechtsprechung des EuGH und auch die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stünden einer Abschiebung oder Rückkehrentscheidung in diesen Fällen entgegen.
Ein Russe hatte in den Niederlanden erfolglos mehrere Asylanträge gestellt. Er ist an einer selten Blutkrebsart erkrankt und wird dort mit medizinischem Cannabis zur Schmerzbekämpfung behandelt. In Russland ist die Verwendung von Cannabis nicht erlaubt. Gegen eine Rückkehrentscheidung legte er einen Rechtsbehelf ein mit der Begründung, er könne ohne die Cannabis-Behandlung nicht menschenwürdig leben.
Der EuGH entschied nun auf die Vorlage des Bezirksgerichts Den Haag, dass auch gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatenangehörigen keine aufenthaltsbeendende Maßnahme ergehen darf, wenn die Gefahr besteht, dass die durch eine Krankheit verursachten Schmerzen im Zielland rasch, erheblich und unumkehrbar zunehmen könnten.
Das setze voraus, dass die schmerzlindernde Behandlung im Zielland nicht erhältlich ist und dass die Schmerzen für den Betroffenen so erheblich wären, dass ein Vorenthalten gegen die Menschenwürde verstoßen würde. Die Mitgliedstaaten dürften allerdings selbst eine Frist für den Begriff "rasch" festlegen. Diese Frist darf allerdings nach der Vorgabe des EuGH nur indikativ sein und müsse in jedem Einzelfall von den zuständigen Behörden konkret überprüft werden können.
tap/LTO-Redaktion
EuGH zu Rückkehrentscheidung: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50243 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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