Jeder ist betroffen, aber keiner kann es gerichtlich überprüfen lassen: Eine deutsche Familie ist vor dem EuG mit ihrer Klage für ambitionierte EU-Klimaziele gescheitert. Mit dem People's Climate Case könnte sich bald der EuGH befassen.
Ist der steigende Meerespegel eine individuelle Bedrohung? Eine deutsche Familie und neun Gleichgesinnte sind mit ihrer Klage für schärfere Klimaziele vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) gescheitert. Die Luxemburger Richter wiesen die Klage als unzulässig ab, wie ein Gerichtssprecher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Vom Klimawandel seien schließlich alle betroffen (Beschl. v. 08.05.2019).
Insgesamt zehn Familien aus der EU, Kenia und Fidschi hatten vor einem Jahr wegen der sie unmittelbar betreffenden Gefahren des Klimawandels gegen das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union geklagt. Das EU-Ziel, bis 2030 die Treibhausgase um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken, reiche als Schutz vor den Risiken nicht aus, argumentierten sie. Sie wurden von Germanwatch und anderen Umweltverbänden unterstützt.
Das EuG befand jedoch, der Klimawandel werde jeden Einzelnen auf die eine oder andere Weise treffen. Die Kläger könnten nicht nachweisen, dass ihre individuellen Grundrechte auf besondere Weise beschnitten würden. Die Luxemburger Richter wiesen die Klage deswegen als unzulässig ab. Die Entscheidung fiel bereits am 8. Mai in einem nicht öffentlichen Beschluss, der zunächst nur den Klägern zugestellt wurde. Diese machten ihn am Mittwoch öffentlich.
Rechtsprofessor: Gerichtliche Überprüfung doch möglich
Prof. Dr. Gerd Winter, einer der Rechtsvertreter der klagenden Familien, freute sich zwar über die Auffassung des EuG, dass jeder Einzelne durch die angegriffenen EU-Rechtsakte in Form der Klimaziele in seinen Grundrechten verletzt sein könne. Er kritisierte aber, dass die Luxemburger Richter die logische Folge, dann auch den Zugang zur gerichtlichen Überprüfung zu ermöglichen, nicht zögen.
Die Familie wohnt seit vier Generationen auf der ostfriesischen Insel Langeoog und besitzt dort eine Gaststätte. Sie sieht ihre Heimat und ihr als Familienbetrieb geführtes Hotel und Restaurant durch den steigenden Meeresspiegel bedroht.
"Wir hatten gehofft, dass wir vor Gericht wenigstens darlegen dürfen, wie wir auf der Insel zunehmend von der Klimakrise bedroht werden", erklärte Klägerin Maike Recktenwald in einer Germanwatch-Mitteilung. "Der erste Anlauf hat nicht geklappt. Wir lassen uns nicht entmutigen und werden einen zweiten Anlauf nehmen."
Rechtsmittel angekündigt – People's Climate Case bald vor dem EuGH
Laut Germanwatch will die Familie Recktenwald bis 15. Juli Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. Dann müsste der Europäische Gerichtshof (EuGH) in nächster Instanz prüfen, ob das EuG die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Schon jetzt habe die Klage viel bewirkt, erklärte Mitkläger Michael Recktenwald. "Wir konnten zeigen, dass die EU dringend handeln muss, um unsere Grundrechte vor den Folgen der fortschreitenden Klimakrise zu schützen." Der Fall wurde als People's Climate Case bekannt.
Das Climate Action Network - ein Zusammenschluss von Klimaschutzverbänden - betonte ebenfalls, dass die Klage nicht aus inhaltlichen Gründen abgewiesen worden sei. Das Gericht erkenne an, dass der Klimawandel jeden betreffe. Es befasse sich aber nicht mit den Fakten und möglichen Auswirkungen auf Grundrechte. Bei diesem Beschluss könne es nicht bleiben, erklärte CAN.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
EuG zum People's Climate Case: . In: Legal Tribune Online, 22.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35531 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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