Seit Monaten werden in Polen Richter zwangspensioniert und durch regierungskonforme Juristen ersetzt. Die EU kritisiert das immer wieder mit scharfen Worten, doch von echten Konsequenzen bleibt Deutschlands Nachbarstaat bislang verschont.
Das gegen Polen eingeleitete Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU tritt trotz neuer besorgniserregender Entwicklungen auf der Stelle. Der zuständige EU-Ministerrat zog am Dienstag bei einem Treffen in Luxemburg zunächst keine Konsequenzen aus einer düsteren Lagebeurteilung zur Rechtsstaatlichkeit in dem Land. Wie es nun weitergehe, solle bis zum nächsten Treffen besprochen werden, kündigte der österreichische EU-Minister Gernot Blümel als derzeitiger Vorsitzender des Ministerrates an.
EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans hatte zuvor gesagt, leider habe sich die Lage in Polen zuletzt weiter verschlechtert. Er spielte damit darauf an, dass die polnische Regierung vor rund einer Woche weitere Richterposten am obersten Gericht neu besetzt hatte. Zuvor waren etliche andere Richter durch ein neues Gesetz zur Herabsetzung des Rentenalters zwangsweise in den Ruhestand geschickt worden. Dieses wird derzeit auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft.
Polen wird bereits seit Monaten für seine Justizreformen kritisiert, ob von der EU, NGO oder auch Juristen aus dem eigenen Land. Ziel der Reformen ist es, zahlreiche Richter am Obersten Gericht und in den unteren Instanzen auszutauschen.
Mittel- und osteuropäische Länder mit weiteren Schritten zögerlich
Mit dem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 7 des EU-Vertrags (EUV), das im letzten Schritt sogar mit einem Entzug der EU-Stimmrechte enden könnte, soll die polnische Regierung dazu bewegt werden, Änderungen an ihren Reformen vorzunehmen. Diese führen nach Einschätzung von Rechtsexperten des Europarates in der Summe zu direkter Abhängigkeit der Justiz von der parlamentarischen Mehrheit und dem Präsidenten der Republik.
Im dem Verfahren müsste der Ministerrat im nächsten Schritt per Abstimmung offiziell feststellen, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von Werten der EU besteht. Dafür müssten 22 der 28 EU-Staaten zustimmen. Als Grund dafür, dass es bislang noch keine Abstimmung gab, gilt die vorsichtige Haltung, die vor allem mittel- und osteuropäische Länder gegenüber dem von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahren haben.
Deutschland und Frankreich stellten sich am Dienstag in einer gemeinsamen Stellungnahme erneut hinter den Kurs der Kommission. Man sei besorgt über die jüngsten Richter-Ernennungen, heißt es darin unter anderem. Das Art.-7-Verfahren müsse fortgesetzt werden.
Zunächst keine großen Fortschritte gab es am Dienstag auch in dem Verfahren gegen Ungarn, das das Europaparlament wegen einer mutmaßlichen Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in dem Land angestoßen hatte. Der Ministerrat forderte lediglich die ungarische Regierung auf, eine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen zu erstellen. Zudem wurde die EU-Kommission gebeten, Informationen über frühere und laufende andere EU-Verfahren gegen Ungarn zu liefern.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Umstrittene Justizreformen: . In: Legal Tribune Online, 16.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31545 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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