Die massenhaften Push-Backs von Flüchtlingen nach Griechenland durch Nordmazedonien waren rechtmäßig, entschied der EGMR. Die Flüchtlinge hätten die legalen Einreisemöglichkeiten nutzen müssen.
Nordmazedonien durfte rund 1.500 Flüchtlinge zurück nach Griechenland schicken. Das Verhalten der nordmazedonischen Beamten verstoße nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Mittwoch auf die Klage von acht Beschwerdeführern und Beschwerdeführerinnen entschieden (Urt. v. 05.04.2022, Az. 55798/16 u.a.). Diese Menschen waren aus dem griechischen Flüchtlingslager Idomeni bis nach Nordmazedonien gelaufen. Die Aktion war als "Walk of Hope" bekannt geworden.
Die Menschen waren einige Kilometer hinter der Grenze abgefangen und zurück nach Griechenland verbracht worden. Pro Asyl und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die die Flüchtlinge in ihren Verfahren unterstützen, sahen in dem Vorgehen einen Verstoß gegen die EMRK. Diese verbietet Kollektivausweisungen von Individuen ohne die Bewertung der Umstände jedes Einzelfalls (Art. 4 4. Zusatzprotokoll).
"Keine individuelle Prüfung möglich"
Der EGMR allerdings entschied, dass hier gleichwohl keine rechtswidrigen Zurückweisungen vorgelegen hätten. Denn die Flüchtlinge selbst wären illegal eingereist und hätten keine Asylanträge gestellt. Damit sei auch keine individuelle Prüfung ihrer Situation möglich gewesen, so das Gericht. Die kollektiven Abschiebungen durch Nordmazedonien seien daher nicht als rechtswidrige Kollektivausweisung zu würdigen, so der EGMR.
"Der Gerichtshof ignoriert die damaligen tatsächlichen Verhältnisse an der Grenze ebenso wie die Tatsache, dass es monatelang gänzlich unmöglich war, irgendwo in Nordmazedonien Asyl zu beantragen", kommentiert Hanaa Hakiki, Senior Legal Advisor beim ECCHR. "Die Schlussfolgerung, dass eine derartige Massenausweisung menschenrechtskonform ist, höhlt den Menschenrechtsschutz an der Grenze weiter aus."
Bereits 2020 hatte der EGMR entschieden, dass Spanien in seiner Enklave Melilla Migranten bei einem Grenzübertritt umgehend nach Marokko zurückweisen darf (Urt. v. 13.02.2020, Az. 8675/15 und 8697/15). Damals argumentierte die Große Kammer, dass die Flüchtlinge sich selbst in eine rechtswidrige Situation gebracht hätten, als sie mit vielen anderen Menschen auf den Zaun geklettert sind. Dass sie ohne individuelle Ausweisungsentscheidung zurück nach Marokko gebracht wurden, sei eine Folge ihres eigenen unrechtmäßigen Verhaltens.
Der ECCHR und Pro Asyl prüfen, ob sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.
EGMR zu Push-Backs nach Griechenland: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48083 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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