Mögliche Verfahrenseinstellung: Edathy-Prozess könnte doch ein schnelles Ende finden

23.02.2015

Im Edathy-Prozess wird nun doch über eine Einstellung gesprochen. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger wollen sich zusammensetzen und über die Möglichkeit einer Einstellung gegen Geldauflage sprechen. Vor Prozessbeginn war eine solche Einigung nicht zustande gekommen, einen Antrag der Verteidigung wegen Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren lehnte das Gericht ab. 

Im Kinderporno-Prozess gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy vor dem Landgericht (LG) Verden kommt es möglicherweise doch noch zu einer Einstellung gegen Geldauflage. Nach längerer Diskussion einigten sich der Vorsitzende Richter, der Staatsanwalt und der Verteidiger zu Prozessbeginn am Montag, darüber miteinander zu reden. Voraussetzung ist nach Worten von Staatsanwalt Thomas Klinge aber, dass Edathy die Vorwürfe zugibt. Daran war eine Einigung vor Prozessbeginn gescheitert. Der erste Verhandlungstag endete bereits nach rund eineinhalb Stunden.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 45-jährigen Edathy vor, im November 2013 über das Internet kinderpornografische Videos und Bilder gekauft zu haben. Edathy hat dies bislang bestritten. Die Ermittler waren auf ihn aufmerksam geworden, weil sein Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma aufgetaucht war, die auch Kinder- und Jugendpornos vertrieben haben soll.

Zum Auftakt des Prozesses hatte Verteidiger Christian Noll die Einstellung des Verfahrens gefordert. Grund sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention). Die Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen des Verdachts des Geheimnisverrats hält er für ein Verfahrenshindernis. Lüttig soll interne Ermittlungsdetails auch zum Fall Edathy an Journalisten gegeben haben.

Verteidiger: Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren

Außerdem gebe es weitere Ermittlungsverfahren wegen Durchstechereien, argumentierte der Anwalt. Nach einem NDR-Bericht sollen 57 Politiker, Ermittler und Amtsträger vor der Durchsuchung bei Edathy von dem Verdacht gewusst haben. Immer wieder hätten Journalisten unter Hinweis auf Ermittlerkreise berichtet.

Edathy habe mehr als 100 Morddrohungen erhalten, sagte Noll. Sein Freundes- und Bekanntenkreis habe sich aufgelöst. Eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft sei nicht absehbar. Die Brandmarkung werde sein Leben lang Bestand haben. "Auf ein Urteil kommt es gar nicht mehr an."

Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab. Es gebe im deutschen Recht keine Verfahrenseinstellung wegen Vorverurteilung. Ein faires Verfahren sei weiterhin gewährleistet, sagte Staatsanwalt Thomas Klinge. "Es interessiert uns nicht in diesem Verfahren, wer wann wem was gesagt hat." Es komme darauf an, ob Edathy die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden könnten.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert wies den Antrag der Verteidigung zurück. Die Schöffen sollten zunächst über die Anklage informiert werden, die der Staatsanwalt dann verlas. Der nächste Prozesstag ist der 2. März. 

Die sachliche Zuständigkeit der großen Strafkammer für die "vergleichsweise wenigen Taten mit einer noch begrenzten Anzahl an Zugriffen auf kinder- und jugendpornographischer Darstellungen", welche auch keine hohe Straferwartung und normalereweise nur das Amtsgericht beschäftigen würden, begründet das LG mit der besonderen Bedeutung des Falles: Nicht nur, weil Edaty ein gewählter Amtsträger und Leiter des NSU-Untersuchungsausschusses war und die ihm zur Last gelegten Taten teilweise über IT-Systeme des Deutschen Bundestags begangen haben soll, sondern auch weil "die Begleitumstände des dem Angeklagten vorgeworfenen Tatgeschehens (...) zum Rücktritt eines Bundesministers und der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages geführt" hätten.  

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Mögliche Verfahrenseinstellung: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14770 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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