Umfrage in Baden-Württemberg: Bürger halten die Justiz für "über­for­dert"

17.10.2024

Zu lange Verfahren, zu wenig Bürgernähe: Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage in Baden-Württemberg, die herausfinden wollte, wie die Justiz in der Bevölkerung wahrgenommen wird. Das Ministerium will sich den Herausforderungen stellen.

"Überfordert" (41 Prozent), aber auch "gerecht" (38 Prozent). "Kompliziert" (35 Prozent), doch auch "transparent" (21 Prozent) – und ein bisschen "korrupt" (neun Prozent). Eine repräsentative Umfrage unter zufällig ausgewählten Bürger:innen in Baden-Württemberg dazu, wie sie die örtliche Justiz wahrnehmen, zeichnet ein gemischtes Bild. Die Ergebnisse stellte die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges am Dienstag vor. Die Umfrage war ein wesentlicher Teil des Projekts "Zukunftsgerichtet". Ziel ist es nach Ministeriumsangaben, die Justiz auf die zukünftigen gesellschaftlichen und technischen Herausforderungen vorzubereiten und dabei die Erwartungen der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Als größtes Problem zeigte die Befragung die Verfahrensdauer auf. 59 Prozent der Befragten empfinden sie derzeit als zu lang. Dabei berücksichtigt die Umfrage auch, welche befragten Bürger:innen selbst in der Justiz tätig sind. Unter denen, die dort nicht arbeiten, sind es sogar 62 Prozent, die die Verfahren für viel zu lang halten. Unter den im juristischen Bereich Tätigen sind es dagegen nur 35 Prozent. Diese Gruppe sieht dafür die schlechte Bezahlung des Personals in der Justiz als eines der Hauptprobleme (36 Prozent) an. Das sahen dagegen nur 14 Prozent derjenigen so, die nicht in der Justiz arbeiten. Als weitere Probleme identifizierte die Umfrage "komplizierte Gesetze" (42 Prozent) und "zu milde Strafen" (38 Prozent). 

Zu wenig und zu schlechte Kommunikation

"Unsere Priorität ist klar: Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern zügig und effizient den Zugang zur Justiz ermöglichen", so die Reaktion von Ministerin Gentges auf diese Zahlen. Strukturelle und personelle Anpassungen seien bereits angestoßen worden, etwa die Schaffung von 950 Neustellen bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug in der laufenden Legislaturperiode. Anfang Oktober erst machte die Meldung die Runde, dass die baden-württembergischen Staatsanwaltschaften in Aktenbergen versinken, weil die Zahl der offenen Ermittlungsverfahren innerhalb von drei Jahren um rund ein Drittel gestiegen seien. Auch das habe das Ministerium bei der Personalplanung im Blick.

Ein weiterer großer Baustein der Befragung war die Bürgernähe der baden-württembergischen Justiz: Die Hälfte der Befragten ist überzeugt, dass sie nicht bürgernah ist. Zu wenig bzw. schlechte Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nannten die Befragten als Hauptgrund dafür (36 Prozent), mit großem Abstand gefolgt von "unnahbar/abgehoben/unfreundlich" (16 Prozent). "Unser Auftrag ist klar: Wir müssen kommunizieren, denn unsere Entscheidungen sind für die Bürger gedacht. Daran müssen wir arbeiten, indem wir Distanz abbauen und Bürgernähe fördern", so Gentges dazu.

Daneben setze die Justiz auf die Digitalisierung, um die Kommunikation zu verbessern. Projekte wie die Einführung von Videoverhandlungen und zivilgerichtliche Online-Verfahren stünden exemplarisch für die Fortschritte in diesem Bereich, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. Interessant in dieser Hinsicht: Die Frage, ob die Teilnehmenden an der Umfrage in Erwägung ziehen würden, einen Anspruch eher gerichtlich geltend zu machen, wenn das Gerichtsverfahren ausschließlich online stattfinden würde, verneinten das immerhin satte 52 Prozent klar.

pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Umfrage in Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55653 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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