Es ist ein beispielloser Vorgang: Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche hat die Staatsanwaltschaft laut SZ einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Münchner Erzbistum erwirkt. Eine Aktion mit Symbolkraft.
Nach einer Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft beim Erzbistum München und Freising hoffen Betroffene und Kirchen-Reformer auf einen "Kurswechsel".
"Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion. Hoffentlich ist es ein Zeichen für einen Kurswechsel der Justiz im Umgang mit der Kirche", sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. "Leider kommt er für viele Betroffene zu spät."
"Die Kirchen haben viel zu lange versucht, alles kirchenintern selber zu regeln. Damit haben sie immer wieder Täter geschützt und vor allem weitere Verbrechen ermöglicht", sagte Edgar Büttner, Sprecher von "Wir sind Kirche" München. "Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass jetzt die staatlichen Justizbehörden einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Ordinariat und den Amtssitz des Münchner Erzbischofs vollzogen haben, auch wenn es in diesem Fall wohl eher eine symbolische Aktion war", betonte Büttner. "Es wäre gut gewesen, wenn dies schon 2010 erfolgt wäre nach dem ersten Münchner Missbrauchsgutachten, das Kardinal Marx zwar hat erstellen lassen, dann aber unter Verschluss gehalten hat."
Anlass ist ein Fall aus den 1960er Jahren
Die Staatsanwaltschaft München I ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) Mitte Februar mit einem Durchsuchungsbeschluss beim Erzbistum München und Freising vorstellig geworden. Die Aktion soll im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und möglichen Vertuschungsvorwürfen gegen Bistumsverantwortliche stehen. Das Erzbistum wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Gegen Kardinal Reinhard Marx richteten sich die Ermittlungen nicht, schreibt die Zeitung. Es soll um den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters gehen, dessen Taten in die 1960er Jahre zurückreichen sollen.
Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass sie schon seit Vorstellung des Aufsehen erregenden Münchner Missbrauchsgutachtens im Januar 2022 untersucht, ob "ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte". Sprecherin Anne Leiding sagte: "Wir können wie üblich zu laufenden Ermittlungen keine Auskünfte geben, werden aber voraussichtlich zum Abschluss der Ermittlungen von uns aus mit Informationen an die Medien herantreten."
Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte das Gutachten im Auftrag des Erzbistums veröffentlicht. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld. "Nach der lange viel zu zögerlichen Aufarbeitung der katholischen Kirche ist deutlich geworden, dass der Staat eingreifen muss", sagte Büttner von "Wir sind Kirche". Auch gegen den ehemaligen und mittlerweile verstorbenen Papst Benedikt XVI. erhob das Gutachten verschiedene Vorwürfe.
Die Justiz - vor allem in Bayern - war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. Von einer "Zeitenwende im Verhältnis von staatlicher Justiz und den Kirchen" sprach nun der Kirchenrechtler Thomas Schüller nach der Aktion der Staatsanwaltschaft.
dpa/ast/LTO-Redaktion
"Kurswechsel" der Justiz?: . In: Legal Tribune Online, 27.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51169 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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