BVerwG zur Entfernung aus Beamtenverhältnis: Polizisten wegen Kin­der­por­nos zu Recht entlassen

19.06.2015

Polizisten genießen und beanspruchen das besondere Vertrauen der Bürger. Der Besitz von kinderpornografischem Material macht sie untragbar, bestätigte das BVerwG. In vergleichbaren Fällen war zuvor oft anders geurteilt worden.

Besitzt ein Polizeibeamter privat kinderpornografische Bild- oder Videodateien, so kann dieses außerdienstliche Fehlverhalten dazu führen, dass er seinen Beamtenstatus verliert. Der für eine disziplinarische Ahndung erforderliche Amtsbezug sei gegeben, da in die Polizei wegen ihres Amtes ein besonderes Vertrauen gesetzt werde. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Donnerstag in drei Verfahren entschieden und dabei seine Rechtsprechung zu Fällen dieser Art fortentwickelt (Urt. v. 18.06.2015, Az. 2 C 19.14, 2 C 9.14, 2 C 25.14).

Die Richter hatten die Fälle von drei Polizisten aus Thüringen, Brandenburg und Berlin auf dem Tisch. Die Männer hatten in ihrer Freizeit auf privat genutzten Geräten Kinderpornos angeschaut, ein Polizist verbreitete die Daten zudem weiter. Der Streifenpolizist aus Brandenburg war zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Berliner Polizist musste 7.200 Euro Geldstrafe zahlen. Das Verfahren gegen den Thüringer Polizisten wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Die Länder hielten die Männer für nicht mehr tragbar und entfernten sie in den jeweils nachfolgenden Disziplinarklageverfahren aus dem Beamtendienst.  Polizisten hätten unter den Beamten eine hervorgehobene Position. Es gehe um Vertrauen. "Man sagt Kindern und Eltern: Wendet Euch an die Polizei", erklärte der Vertreter der Landespolizeidirektion Thüringen in der mündlichen Verhandlung. Auch wenn die Männer die Kinderpornos in der Freizeit angeschaut hätten, gebe es wegen der besonderen Stellung eines Polizisten einen Amtsbezug.

"Kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten erwartet"

Dem folgten die Leipziger Richter. Obwohl es sich hier um ein außerdienstliches Verhalten handele, sei der für ein Dienstvergehen erforderliche Bezug wegen der mit dem Amt eines Polizeibeamten verbundenen besonderen Dienstpflichten gegeben. Zwar werde außerhalb des Dienstes heute auch von Beamten kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten mehr erwartet, sodass außerdienstliche Verfehlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zu Disziplinarmaßnahmen des Dienstherrn berechtigten. Straftaten rechtfertigten disziplinarische Maßnahmen aber jedenfalls dann, wenn ein Bezug zwischen den begangenen Straftaten und den mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten besteht.

Bei Polizeibeamten bestehe ein solcher Bezug zwischen dem Besitz kinderpornografischen Materials und ihrer Amtsstellung. Polizeibeamte hätten Straftaten zu verhindern, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genössen in der Bevölkerung eine herausgehobene Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses für die Ausübung ihres Berufs unabdingbare Vertrauen werde beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte erhebliche Straftaten begingen. Das gelte unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten mit der Verfolgung gerade solcher Delikte betraut ist oder mit Kindern oder Jugendlichen Kontakt hat. Insoweit nähmen Polizeibeamte wegen ihres Amtes eine besondere Stellung ein.

Ausmaß der Tat und Schuld des Täters maßgebend

Allerdings komme es immer auf den Einzelfall und das Ausmaß der Straftat an. Vergehen, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten aufweisen, ließen Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu.

Nach der in den drei Verfahren maßgeblichen, bis 2014 gültigen Rechtslage, wurde der Besitz kinderpornografischer Schriften, wozu auch Bild- und Videodateien zählen,  mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 184b Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB) a.F.. Wurde einem anderen der Besitz verschafft, reichte die Strafandrohung bis zu fünf Jahren, § 184b Abs. 2 StGB a.F.. Erst Anfang 2015 hat der Gesetzgeber den Strafrahmen für den Besitz kinderpornografischer Bilddateien um ein Jahr auf drei Jahre erhöht, § 184b Abs. 3 StGB n.F..

Um den Rahmen der Disziplinarmaßnahmen tatsächlich auszuschöpfen, müsse man allerdings die Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld angemessen würdigen. In Fällen wie diesen seien beispielsweise die Anzahl und Inhalt der Bilddateien von Bedeutung. Das von den Strafgerichten ausgesprochene Strafmaß  könne nur als Indiz gewertet werden, da das Strafrecht und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgten. Werde das Strafverfahren hingegen eingestellt, bedürfe es regelmäßig besonderer Umstände, um gleichwohl als so schwer gewichtet zu werden, dass es für eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis reicht.

Es kommt immer auf den Einzelfall an

Nach diesen Grundsätzen sei es jedoch in allen drei Verfahren angemessen gewesen, die Polizisten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das gelte auch in dem Fall, bei dem das Verfahren nach Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden war, Gericht und Staatsanwaltschaft also nur von einer geringen Schuld des Polizeibeamten ausgegangen seien. Denn der Mann habe eine weitere, gravierende innerdienstliche Pflichtverletzung dadurch begangen, dass er im polizeilichen EDV-System unbefugt personenbezogene Daten minderjähriger Mädchen abgefragt hat.

Ähnlich hatte der Senat vor einigen Jahren im Falle eines Lehrers geurteilt, der ebenfalls Kinderpornos besessen hatte. Bei einem Lehrer, der täglich mit Kindern umgehe, liege ein Bezug dieses "außerdienstlichen Fehlverhaltens" zu seinem Amt wegen der spezifischen Schutz- und Obhutspflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen auf der Hand.

Doch nicht immer sah das BVerwG diese letzte Konsequenz – 2010 hob es die Entlassung eines Lehrers wegen Besitzes kinderpornographischer Bilder auf. Der Mann wurde daraufhin weiter als Studienrat in der Schule eingesetzt, musste aber eine Gehaltskürzung hinnehmen. Auch im Hinblick auf Polizeibeamte hatten die Gerichte nicht immer mit der höchsten Disziplinarmaßnahme auf solche Straftaten reagiert. Ein Polizeibeamter, der 400 Kinderpornos auf seinem Rechner gespeichert hatte, verlor seine Pensionsansprüche.  In einem nahezu gleichen Fall hatte zuvor ein Gericht die gleiche Konsequenz als angemessen erachtet.

ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zur Entfernung aus Beamtenverhältnis: . In: Legal Tribune Online, 19.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15934 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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