BVerwG zu Stadtratsbeschluss von München: BDS-Kam­pagne darf öff­ent­liche Räume nutzen

20.01.2022

Die Stadt München untersagte per Stadtratsbeschluss Veranstaltungen rund um die BDS-Kampagne in ihren städtischen Räumen. Damit verletzte sie die Meinungsfreiheit, so das BVerwG.

Die Stadt München darf einen städtischen Veranstaltungssaal nicht für Veranstaltungen über die BDS-Kampagne einschränken. Der entsprechende Beschluss der Stadt München richtet sich gegen eine bestimmte Meinung und verletzt so die Meinungsfreiheit, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag (Urt. v. 20.01.2022, Az. 8 C 35.20).

Das BVerwG beschäftigte sich mit der Klage eines Mannes, der im städtischen Veranstaltungssaal eine Podiumsdiskussion zum Thema "Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein – Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen" durchführen wollte. Eben dieser Stadtratsbeschluss sah vor, dass für Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der sog. BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, verfolgen oder für diese werben, keine städtischen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden dürften. Die Stadt begründete ihr Vorgehen damit, dass sie in der Pflicht sei, Bürger zu schützen. Von BDS-Veranstaltungen könnten Aggressionen ausgehen. BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen". Die Bewegung will Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren. Der Bundestag distanzierte sich 2019 in einem Beschluss von der BDS-Kampagne. Eine Klage dagegen wies das VG Berlin 2021 ab.

Antisemitismus-Beauftragter sieht "verpasste Chance"

Unter Bezugnahme auf den Beschluss wurde der Antrag des Mannes auf Nutzung der Räumlichkeiten abgelehnt, wogegen er gerichtlich vorging. Nachdem er in erster Instanz vor dem VG München scheiterte, hatte er vor dem VGH Erfolg. Dagegen legte die Stadt München als Beklagte Revision ein, über die das BVerwG nun entschieden hat. Sie hatte keinen Erfolg.

Das BVerwG begründete seine Entscheidung damit, dass die Widmung des Saals kommunalpolitische Diskussionsveranstaltungen miteinbeziehe. Der Stadtratsbeschluss der Stadt München hätte das nachträglich eingeschränkt. Diese Beschränkung ist laut BVerwG rechtswidrig und unwirksam. Sie verletze das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), indem sie an eine erwartete Kundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne eine nachteilige Rechtsfolge knüpfe. Diese Beschränkung sei nicht gerechtfertigt. Der Stadtratsbeschluss sei kein allgemeines Gesetz nach Art. 5 Abs. 2 GG. Zum einen sei er kein Rechtssatz. Zum zweiten sei er nicht meinungsneutral und damit auch nicht allgemein. Des Weiteren sei nicht zu erwarten, dass bei der geplanten Veranstaltung die Meinungsäußerungen in Gefährdungslagen umschlagen und so die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden. Daher sei der Stadtratsbeschluss auch nicht mit dem Schutz von anderen Rechtsgütern zu rechtfertigen.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bedauerte das Urteil. Es sei eine "verpasste Chance", BDS-Umtrieben gegen den demokratischen Staat Israel in Räumlichkeiten der öffentlichen Hand grundsätzlich zu untersagen. Es handele sich jedoch um eine Einzelfallentscheidung hinsichtlich der spezifischen Konstellation in München. "Das bedeutet, Kommunen können weiterhin bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, BDS-Veranstaltungen in öffentlichen Räumlichkeiten verweigern." Jede einzelne Verwaltung müsse dies sorgsam prüfen.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

BVerwG zu Stadtratsbeschluss von München: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47277 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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