BVerwG zur Beihilfe für vorsorgliche Brustdrüsenentfernung: Brust­k­rebs­ri­siko kann Krank­heit dar­s­tellen

29.09.2017

Das BVerwG hat entschieden, dass ein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinne darstellen kann. Das sah die Vorinstanz eigentlich auch so, allerdings mit der falschen Begründung.

Das wegen familiärer Vorbelastung und einer Genmutation erhöhte Risiko einer Frau, an Brustkrebs zu erkranken, kann eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinne darstellen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am Donnerstag entschieden (Urt. v. 28.09.2017, Az. 5 C 10.16).

Geklagt hatte eine beihilfeberechtigte Beamtin aus Hessen. Zwei ihrer Verwandten in direkter mütterlicher Linie waren an Brustkrebs erkrankt. Sie wurde aufgrund einer auch bei ihr vorliegenden Genmutation als Hochrisikopatientin eingestuft. Ihr Ersuchen auf Übernahme der Kosten einer vorsorglichen operativen Brustdrüsenentfernung und nachfolgender Implantatrekonstruktion im Rahmen der beamtenrechtlichen Beihilfegewährung wurde zunächst  abgelehnt.

Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens ließ sich die Klägerin operieren. Ihre Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Der beihilferechtliche Krankheitsbegriff erfasse im Lichte der verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch ein deutlich erhöhtes Brustkrebsrisiko, entschied das Berufungsgericht. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Bei ihr bestehe eine Wahrscheinlichkeit von etwa 80 Prozent, an Brustkrebs zu erkranken.

Fall geht nochmal zum VGH

Die Begründung ließ das BVerwG allerdings nicht gelten und verwies die Sache zurück an den Verwaltungsgerichtshof (VGH). Der geltend gemachte Beihilfeanspruch setze das Vorliegen einer Krankheit voraus. Grundsätzlich ist sei nur krank, wer in seinen körperlichen oder geistigen Funktionen beeinträchtigt ist. Bei der nicht an Brustkrebs erkrankten Klägerin fehle es an einer Funktionsbeeinträchtigung.

Zwar liege eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinne auch dann vor, wenn die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung besteht und die schädigenden Folgen, die im Falle des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behandlungsbedürftigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen und der Betroffenen bei wertender Gesamtbetrachtung nicht zumutbar ist, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen und sich auf die Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen zu beschränken. Aus Verfassungsrecht, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, würden sich aber keine anderen Voraussetzungen für die Bewertung eines Erkrankungsrisikos als Krankheit ergeben.

Jedenfalls auch in den Blick zu nehmen sei das individuelle Risiko, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erkranken, und das Vorhandensein von Früherkennungsmaßnahmen, die hinreichend sensitiv sind, um bei festgestellter Brustkrebserkrankung gute Heilungschancen zu bieten. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nach Ansicht der Leipziger Richter für die erforderliche werdende Gesamtbetrachtung nicht aus. Zur weiteren Sachaufklärung verwiesen sie die Sache deshalb zurück an den VGH.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zur Beihilfe für vorsorgliche Brustdrüsenentfernung: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24775 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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