BVerfG: Satzungen von Arbeitgeberverbänden müssen klar zwischen Mitgliedschaften mit und ohne Tarifbindung differenzieren

von tko/LTO-Redaktion

14.12.2010

Mitgliedern ohne Tarifbindung darf es insbesondere nicht möglich sein, auf Entscheidungen des Arbeitgeberverbandes im Rahmen des Arbeitskampfes oder der Verhandlungen eines interessengerechten Tarifvertrages Einfluss zu nehmen. Dies geht aus einem Beschluss des BVerfG hervor, wonach die Verfassungsbeschwerde eines OT-Mitglieds nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Die Beschwerdeführerin, ein Maschinenbauunternehmen, ist Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der in seiner Satzung die Möglichkeit einer
Mitgliedschaft ohne Tarifbindung schuf. Danach sollten nur diejenigen Verbandsmitglieder an Verbandstarifverträge gebunden sein, die sich den
vom Verband eingerichteten Fachgruppen angeschlossen hatten. In den Fachgruppen sollten die Arbeitsbedingungen in den angeschlossenen
Betrieben durch Abschluss von Tarifverträgen geregelt werden. Außerdem regelte die Satzung einen so genannten Unterstützungsfonds, der den
Verbandsmitgliedern die Durchführung von Arbeitsstreitigkeiten im  Interesse des im Verband zusammengeschlossenen Berufsstandes ermöglichen sollte; an der Verwaltung des Fonds wurden auch die OT-Mitglieder des Verbandes beteiligt.

Ursprünglich gehörte die Beschwerdeführerin der Fachgruppe Metall an, die wiederum Mitglied des Gesamtverbandes Metall NRW war. Nach Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe vereinbarte die Beschwerdeführerin mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens eine Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich.

Nachdem der Kläger der IG Metall beigetreten war, verlangte er von der Beschwerdeführerin eine Lohnabrechnung auf der Grundlage des zwischen der IG Metall und dem Gesamtverband Metall NRW geschlossen Manteltarifvertrages und klagte auf Bezahlung der sich danach ergebenden Lohndifferenz.

Das BAG gab seiner Klage statt. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes weise nicht die koalitionsrechtlich gebotene eindeutige Trennung zwischen Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung auf mit der Folge, dass der Austritt aus der Fachgruppe nicht zum Wegfall der Tarifgebundenheit geführt habe.

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch diese Entscheidung in ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG und ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit verletzt.

Nach Ansicht des BVerfG kann dahinstehen, ob durch die Entscheidung des BAG in die Berufsfreiheit und/oder die Koalitionsfreiheit der Beschwerdeführerin eingegriffen wird, da diese Eingriffe jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien (Beschl. v. 14.12.2010, Az. 1 BvR 2593/09 ).

OT-Mitglieder können die Serviceleistungen und die Interessenvertretung des Verbandes in Anspruch nehmen, werden aber von der Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) nicht erfasst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2006 die Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft grundsätzlich anerkannt.

Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie, die das BAG zur Rechtfertigung der Notwendigkeit einer eindeutigen Trennung zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung herangezogen habe, stelle einen Belang von Verfassungsrang dar. Die Tarifautonomie sei darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Durch eine Einflussnahme nicht tarifgebundener Mitglieder auf Entscheidungen des Arbeitgeberverbandes könne das für das Zustandekommen eines interessengerechten Tarifvertrages erforderliche Verhandlungsgleichgewicht strukturell gestört sein. Nur wenn das Vorgehen des Arbeitgeberverbandes bei Tarifvertragsverhandlungen und im Arbeitskampf nicht von einer Gruppe von Mitgliedern mitbestimmt werde, die eine Tarifbindung für sich generell ablehnen, könne typischerweise ausgeschlossen werden, dass sich der Verband von sachfremden Einflüssen leiten lasse und die Tarifvertragsverhandlungen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führten.

Ferner werde die Beschwerdeführerin durch die vom BAG aufgestellten Anforderungen an die Trennung der Mitgliedschaftsbereiche im Arbeitgeberverband nicht unzumutbar belastet. Denn die Möglichkeit der Mitwirkung der OT-Mitglieder im Arbeitgeberverband sei nur in dem
Umfang eingeschränkt, der erforderlich sei, um sachfremde Einflüsse auf Tarifverhandlungen und Tarifergebnisse auszuschließen. Es begegne
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Gericht für die Beurteilung der Trennung der Mitgliedschaftsbereiche allein auf die Regelungen der Satzung des Verbandes abgestellt und angesichts der satzungsmäßigen Möglichkeit der Einflussnahme der OT-Mitglieder auf Entscheidungen über den Unterstützungsfonds als Mittel des Arbeitskampfes eine hinreichende Trennung der Mitgliedschaftsbereiche verneint hat.

Der Beschwerdeführerin bleibe die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft für die Zukunft grundsätzlich erhalten, sofern der Arbeitgeberverband seine Satzung den Vorgaben des BAG anpasst.

Zitiervorschlag

BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2151 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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