Mitbewerber erhebt Verfassungsbeschwerde: Lim­bach kann Prä­si­den­ten­posten am OVG NRW noch immer nicht besetzen

27.03.2024

Im Streit um die Besetzung des Präsidentenpostens am OVG NRW hat ein unterlegener Mitbewerber Verfassungsbeschwerde am BVerfG eingereicht. NRW-Justizminister Limbach kann die Stelle damit noch immer nicht besetzen.

Ein Gerichtssprecher aus Karlsruhe teilte am Mittwoch mit, dass ein unterlegener Mitbewerber im Streit um die Besetzung des Präsidentenpostens am Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) Verfassungsbeschwerde eingereicht hat. Das hatte der klagende Bundesrichter bereits Mitte März beim Justizministerium des Landes NRW angekündigt.

Daher kann NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) an die von ihm ausgewählte Kandidatin zunächst keine Ernennungsurkunde überreichen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) muss jetzt prüfen, ob das Auswahlverfahren gegen das Grundgesetz verstoßen hat.

Nach Eilanträgen unterlegener Bewerber hatten zunächst das Verwaltungsgericht (VG) Münster und kurz darauf auch das VG Düsseldorf das Besetzungsverfahren gestoppt. Die dagegen eingelegten Beschwerden des Landes zum OVG NRW hatten aber Erfolg: Das Gericht entschied Ende Februar, die Präsidentenstelle des OVG dürfe mit Limbachs Wunschkandidatin besetzt werden (Beschl. v. 29.02.2024, Az. 1 B 1082/23 u. a.).

Jetzt wurde Limbach aber erneut von der Ernennung abgehalten: Er muss vor der Überreichung einer Ernennungsurkunde die Entscheidung des BVerfG abwarten.

Rechtsschutzgarantie führt zu Wartefrist im Vorfeld einer Ernennung

Der Grund dafür liegt im Grundsatz der Ämterstabilität (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG)) und der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

Das BVerfG hatte bereits 2007 entschieden, dass aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG eine Verpflichtung des Dienstherrn folgt, vor Aushändigung der Ernennungsurkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um unterlegenen Mitbewerbern die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben (Beschl. v. 09.07.2007, Az. 2 BvR 206/07). Dies ergibt sich aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG, der dem Beamten das Recht zur gerichtlichen Überprüfung einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung verleiht.

In Zusammenschau mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus Art. 33 Abs. 5 GG sowie dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs (Vereitelung der Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes) führt dies dann zu der verpflichtenden Einhaltung einer Wartepflicht. Denn durch die umgehende Ernennung eines Bewerbers würde dem unterlegenen Konkurrenten faktisch die Möglichkeit genommen, die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch eine verfassungsgerichtliche Entscheidung zu verhindern.

Nachträglicher Rechtsschutz wegen Ämterstabilität nicht möglich

Wegen der Ämterstabilität hat ein Mitbewerber nach einer erfolgten Ernennung nämlich grundsätzlich keine Möglichkeit, die Auswahlentscheidung gerichtlich aufheben zu lassen. Als Grundsatz der Ämterstabilität wird bezeichnet, dass einmal erfolgte Ernennungen rechtsbeständig sind, wenn nicht einer der im Gesetz erschöpfend aufgezählten Gründe vorliegt, unter denen die Nichtigkeit des Beamtenverhältnisses festgestellt wird (z.B. § 13 BBG). Der Grundsatz der Ämterstabilität kann dazu führen, dass die Ernennung eines fehlerhaft ausgewählten Bewerbers zum Beamten nicht rückgängig zu machen ist.

Ernennt ein Dienstherr trotz einer laufenden Wartefrist einen Bewerber rechtswidrig dennoch, so verhindert er den Rechtsschutz des Mitbewerbers. Bei einem solchen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG wird der Grundsatz der Ämterstabilität dann ausnahmsweise durchbrochen und der unterlegene Bewerber kann gegen die Ernennung im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. Hat diese Erfolg, so ist die Ernennung ausnahmsweise mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Um das zu verhindern, besteht bereits im Vorfeld die grundsätzliche Verpflichtung des Dienstherrn, mit der Ernennung abzuwarten, wenn abzusehen ist, dass der Mitbewerber den Rechtsweg beschreiten möchte. Die eingereichte Verfassungsbeschwerde wird das Verfahren um die Besetzung des Präsidentenpostens deshalb nun weiter in die Länge ziehen.

dpa/cho/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Mitbewerber erhebt Verfassungsbeschwerde: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54218 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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