BVerfG zur Rechtsschutzgleichheit: Beratungshilfe­antrag darf nur förm­lich ab­gelehnt werden

03.06.2015

Wird einem Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz nicht in vollem Umfang entsprochen, muss hierüber grundsätzlich förmlich entschieden werden. Dies geht aus einem Beschluss des BVerfG hervor.

Nachdem ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgelehnt worden war, wollte eine Frau mit anwaltlicher Hilfe dagegen Widerspruch einlegen. Hierfür beantragte sie beim Amtsgericht einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz.

Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wies die Frau mündlich darauf hin, dass sie Widerspruch bei der Rentenversicherung einlegen oder sich an die Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden könne. Er stellte weder einen Berechtigungsschein aus noch beschied er den Antrag förmlich. Hiergegen hatte die Frau "Erinnerung, hilfsweise Beschwerde" eingelegt. Diese wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen.

Zu Unrecht, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss. Die Vorgehensweise des Rechtspflegers und des AG genüge dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) nicht.

Verweisung an Beratungsstelle weder aussichtsreich noch ausreichend

Die Verweisung auf die Beratungsstelle einer Behörde, gegen die Widerspruch eingelegt werden soll, überdehne den Begriff der "Zumutbarkeit" vorrangiger anderer Hilfsmöglichkeiten (Beschl. v. 29.04.2015, Az. 1 BvR 1849/11). Das Amtsgericht hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass sich das Beratungshilfebegehren aufgrund der Hinweise des Rechtspflegers erledigt hat.

Zudem werde der Verweis auf Selbsthilfe dem Anspruch der Frau auf Rechtsschutzgleichheit nicht gerecht. Es sei hinreichend deutlich, dass das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft, für deren Klärung auch ein kostenbewusster solventer Rechtsuchender einen Rechtsanwalt in Anspruch nähme, anstatt selbst Widerspruch zu erheben.

Da sich der Beratungshilfeantrag nicht durch die Erteilung der Hinweise erledigt habe, hätte der Rechtspfleger über ihn entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers erschwere ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Frau zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren.

age/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zur Rechtsschutzgleichheit: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15737 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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