Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat das BVerfG entschieden, dass eine verhängte Sicherungsverwahrung nicht mit sofortiger Wirkung für erledigt erklärt werden muss, wenn die Voraussetzungen für die Unterbringung entfallen. In Fällen der primären Sicherungsverwahrung kann die Freilassung des Untergebrachten auch auf der Grundlage einer Aussetzung zur Bewährung angeordnet werden.
Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hatte eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt sei. Das Gericht entschied, dass die Aussetzung zur Bewährung dann zulässig sei, wenn die Rechtsgrundlage der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung "nur" wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot für verfassungswidrig erklärt wurde. In diesen Fällen der primären Sicherungsverwahrung muss die Unterbringung nicht zwingend für erledigt erklärt werden, wenn ein dauerhafter weiterer Vollzug der Verwahrung unverhältnismäßig wäre (Beschl. v. 13.10.2011, Az. 2 BvR 1509/11) .
Das BVerfG bezog sich in seiner Begründung auf seine Entscheidung vom 4. Mai 2011. Darin wurde angeordnet, dass die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung unter bestimmten Voraussetzungen für eine Übergangszeit anwendbar bleiben. Dabei sei zwischen zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden.
Sofortige Entlassung nur bei nachträglicher Anordung
In den Fällen der nachträglichen Anordnung oder Verlängerung der Sicherungsverwahrung, in denen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf Vorschriften beruht, die gegen das Abstandsgebot verstoßen und das Vertrauensschutzgebot verletzen, darf die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nur noch unter Wahrung strikter Verhältnismäßigkeitsanforderungen angeordnet werden. Dann hätten die zuständigen Gerichte die unverzügliche Entlassung der Betroffenen anzuordnen. Auch eine zeitlich befristete Fortdauer der Unterbringung zum Zweck der Durchführung von Entlassungsvorbereitungen komme nicht in Betracht.
Das Gericht entschied nun, dass es sich bei der primären Sicherungsverwahrung anders verhält. Ist ein dauerhafter weiterer Vollzug der Sicherungsverwahrung in diesen Fällen unverhältnismäßig, sei es nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte - als Konkretisierung der gebotenen umfassenden Verhältnismäßigkeitskontrolle - die Freilassung des Untergebrachten lediglich auf der Grundlage einer Aussetzung zur Bewährung anordnen. Auch die zeitlich befristete Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Gewährleistung einer erfolgreichen sozialen Wiedereingliederung sei nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit rechtmäßig und verletze keine Freiheitsrechte des Betroffenen.
Gefahrenprognose nicht mehr erfüllt
Der mehrfach vorbestrafte Beschwerdeführer war im Jahr 2003 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurden, bei der das Gericht
seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnete. Im Juni 2011 setzte das zuständige Oberlandesgericht (OLG) die Unterbringung mit Wirkung zum November 2011 zur Bewährung aus, weil es die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu stellenden Anforderungen an die Gefahrenprognose nicht mehr als erfüllt ansah.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendete der Beschwerdeführer sich gegen diese Entscheidung. Er vertrat die Auffassung, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch in den Fällen der primären Sicherungsverwahrung mit sofortiger Wirkung für erledigt zu erklären sei und eine Aussetzung zur Bewährung sein Freiheitsgrundrecht verletze.
asc/LTO-Redaktion
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BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4719 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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