BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht an: Kein Stopp von "Nord Stream 2"

19.07.2018

Die umstrittene Gaspipeline "Nord Stream 2" kann weiter gebaut werden. Das BVerfG legt der Erdgaspipeline, die durch die Ostsee verlaufen soll, keine Steine in den Weg. Eine Eingabe von Naturschützern wies es zurück.

Die "Nord Stream 2" ist ein politisch hoch umstrittenes Projekt. Über die Trasse sollen von Ende 2019 an jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas nach Deutschland fließen; ein Vorhaben, das Polen und vor allem der Ukraine, die seit langem hohe Gebühren für die Durchleitung russischen Gases nach Europa kassieren, nicht allzu gut gefällt.

Ganz abseits der Weltpolitik machen nicht zuletzt in Deutschland auch Umweltschützer mobil gegen das Bauvorhaben. Bedenken gibt es vor allem hinsichtlich negativer Auswirkungen des Pipelinebaus auf geschützte Arten wie Schweinswale, Flussneunaugen und Meeresenten, außerdem seien seltene Lebensräume wie Mergelriffe und Großalgenbestände gefährdet. Aus diesem Grund wehrte sich der Naturschutzbund Deutschland (NABU) juristisch gegen den Baubeginn und zog bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), wo man, wie am Donnerstag bekannt wurde, scheiterte (Beschl. v. 12.07.2018, Az. 1 BvR 1401/18).

Angriffspunkt war eine Entscheidung des Bergamtes Stralsund, das in einem Planfeststellungsbeschluss den Weg frei gemacht hatte für den Baubeginn in der Bucht Greifswalder Bodden. Dort sollten demnach ab 15. Mai dieses Jahres die Bagger anrollen. Um das zu verhindern, zog man vor das erstinstanzlich zuständige Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald, um im Eilverfahren einen Aufschub der Bauarbeiten zu erreichen.

OVG verweigerte Eilrechtsschutz 

Die Richter in Greifslwald wiesen das Eilrechtsschutzbegehren am 1. Juni 2018 zurück und verkündeten, man müsse die Verhandlung in der Hauptsache abwarten. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Klage, wie sie im Eilverfahren vorgenommen wird, komme in diesem Fall nicht in Frage, da eine schnelle Würdigung der Einwände gegen den Bau nicht möglich sei. Somit traf man die Entscheidung allein aufgrund einer Folgenabwägung für den Fall einer Bauverzögerung. Der Weg für den Baubeginn war damit frei.

Die Naturschützer sahen sich dadurch in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzt, da das Gericht aufgrund der ihm bekannten Tatsachen ihres Erachtens durchaus einen vorläufigen Baustopp hätte verhängen können. Die Hauptverhandlung abzuwarten, sei im Hinblick auf die drohenden Umweltschäden nicht zumutbar, argumentierte der NABU.

"Die Beweislastregel der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wurde mit dem Beschluss aus Greifswald unterlaufen, das Klagerecht der Naturschutzverbände so ad absurdum geführt" kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. "Sollte der NABU in der Hauptsache erfolgreich sein, droht ein zusätzlicher Umweltschaden, da die Pipeline zurückgebaut werden müsste. Nach einer gründlichen Prüfung wären die Richter zu einer anderen Entscheidung gekommen". Dass das Gericht den Bau vorerst durchgewunken hatte, schob man auf "enormen politischen Druck".

BVerfG bestätigt: Summarische Prüfung nicht möglich

Das BVerfG sah nun aber keine Anzeichen dafür, dass das OVG im Eilverfahren die Erfolgaussichten hätte prüfen können und müssen. Man habe nicht ausreichend dargelegt, dass das Gericht in der Lage gewesen wäre, eine wenigstens summarische Prüfung durchzuführen.

Zwar betonen die Karlsruher Richter deren besondere Bedeutung, wenn einem Antragsteller ohne Eilrechtsschutz eine erhebliche Verletzung seiner Grundrechte drohe, die durch einen Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne. Wenn die Prüfung aber in der Kürze der Zeit nicht möglich sei, könne sie dennoch versagt werden. Somit nahmen die die 2. Kammer des Ersten Senats die Sache gar nicht erst zur Entscheidung an.

Die Frage, ob einer anerkannten Vereinigung wie dem NABU bei einer Klage nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) das angeführte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz überhaupt zusteht, ließen die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung ausdrücklich offen, da es hierauf nicht mehr ankam.

Der NABU bedauerte die Karlsruher Entscheidung und erneuerte seine Kritik am Projekt. Die Pipeline schädige die sensible Meeresumwelt der Ostsee massiv, sagte Bundesgeschäftsführer Miller. Erste Schäden seien bereits sichtbar. Bei einem Leck an einem Bagger war im Mai - wenige Tage nach dem Baustart - Schmierfett in den Greifswalder Bodden getreten. Die Arbeiten mussten für einige Wochen unterbrochen werden. Der NABU kündigte an, nun weitere Schritte zu prüfen.

mam/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht an: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29851 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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