Bestimmte Leistungen nur Arbeitnehmern zu gewähren, die einer Gewerkschaft angehören, geht in Ordnung, so das BVerfG am Freitag. Das gilt aber dann nicht mehr, wenn sich Arbeitnehmer gezwungen fühlen, der Gewerkschaft beizutreten.
Eine unterschiedliche Behandlung gewerkschaftlich Organisierter und nicht gewerkschaftlich Organisierter in einem Tarifvertrag verletzt nicht die Grundrechte der Arbeitnehmer, solange dadurch nur ein faktischer Anreiz zum Beitritt in eine Gewerkschaft erzeugt wird. Zu diesem Ergebnis kam das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Freitag (Beschl. v. 21.12.2018, Az. 1 BvR 1278/16).
Geklagt hatte ein Mann, dem Leistungen verwehrt blieben, weil der einschlägige Tarifvertrag diese nur für solche Arbeitnehmer vorsah, die zu einem bestimmten Stichtag der tarifschließenden Gewerkschaft angehörten. Der Mann gehörte dieser Gewerkschaft aber nicht an, sondern wurde lediglich arbeitsvertraglich und durch einen Sozialplan begünstigt. Dadurch sah er sich in seiner negativen Koaltionsfreiheit verletzt, welches auch die Freiheit schützt, Gewerkschaften fernzubleiben.
Faktischer Anreiz ja, Zwang nein
Die Karlsruher Richter folgten dem aber nicht und führten aus, dass die negative Koaltionsfreiheit erst dann verletzt ist, wenn durch die Differenzierungsklauseln ein Zwang oder Druck erzeugt wird, der Gewerkschaft beizutreten. Gegen einen bloßen Beitrittsanreiz, der dadurch gegeben werden soll, dass bestimmte Leistungen nur Gewerkschaftsangehörigen vorbehalten sind, gäbe es keine verfassungsrechtlichen Bedenken, resümierten die Richter des BVerfG.
Auch die Freiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Arbeitsverträge frei verhandeln und abschließen zu können, sei nicht verletzt. Zwar befände sich der Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber insbesondere beim Abschluss des Arbeitsvertrages in einer strukturell unterlegenen Position. Die betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen, die zum Teil auch auf den klagenden Mann Anwendung fanden, waren angesichts der besonderen Umstände des Falles jedoch geeignet, diese strukturelle Unterlegenheit aufzufangen. Damit bestätigte das BVerfG auch die Feststellungen seiner Erfurter Kollegen vom Bundesarbeitsgericht (BAG).
Gewerkschaften bemühen sich schon seit Jahrzehnten Arbeitnehmern Anreize zu bieten, einer Gewerkschaft beizutreten. Auf der anderen Seite steht in der Regel der Arbeitgeber, der ein Interesse daran hat, dass die Gewerkschaften, mit denen er verhandelt, nicht allzu groß werden. Zu diesem Zweck kann er durch sogenannte Bezugnahmeklauseln auch nicht organisierte Arbeitnehmer an den tarifvertraglich vereinbarten Leistungen teilhaben lassen und so den gewerkschaftlichen Beitrittsanreiz abfedern. Die Einzelheiten und juristischen Ausgestaltungen, mit denen die Gewerkschaften aber echte Vorteile ausschließlich für ihre Angehörigen schaffen wollen, sind vielfältig und im einzelnen umstritten.
tik/LTO-Redaktion
BVerfG zu tariflicher Differenzierungsklausel: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32899 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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