Die Länder sprechen sich parteiübergreifend für eine Grundgesetzänderung aus, um Strukturen des BVerfG abzusichern. Wie fortgeschritten die Arbeiten bereits sind, zeigt ein Gesetzentwurf, der LTO vorliegt.
Wie kann das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor Verfassungsfeinden besser geschützt werden? Zu dieser zuletzt viel diskutierten Frage hatte die Justizministerkonferenz (JuMiKo) Ende 2023 eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Ziel ist es, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Wie konkret die Arbeiten bereits vorangekommen sind, zeigt ein ausformulierter 14-seitiger Gesetzentwurf, der LTO vorliegt. In der Problembeschreibung heißt es: "Die verfassungsrechtliche Absicherung der Stellung des Bundesverfassungsgerichts weist jedoch insoweit Lücken auf, als einige grundlegende, für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts wesentliche Bestimmungen bislang nur einfachgesetzlich geregelt sind und damit mit einfacher Mehrheit geändert werden können".
Die bisherige Gesetzeslage erscheint den Ländern nur ausreichend, "wenn und solange die gelebte Staatspraxis von dem Grundkonsens geleitet wird, dass diese Stellung des Bundesverfassungsgerichts im politischen Wettbewerb unangetastet bleibt und bei der Besetzung beachtet wird." Für den Fall, dass dieser Grundkonsens nicht mehr weiter gelebt wird und eine Mehrheit versuchen sollte, die Unabhängigkeit des Gerichts zu schwächen, wollen die Länder Vorsorge treffen.
Absicherung und Lösung für Blockadefälle
Der Entwurf schlägt deshalb eine Ergänzung der Art. 93 und Art. 94 Grundgesetz (GG) vor. In Art. 93 soll die unmittelbare Bindung der öffentlichen Gewalt an die Entscheidungen des BVerfG verfassungsrechtlich verankert werden. Bisher steht das "nur" in § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Dazu soll ein neuer Absatz vier eingefügt werden. Außerdem sollen zentrale Vorgaben zur Wahl und Stellung der Mitglieder des Gerichts aus dem BVerfGG in die Verfassung gehoben werden. Das umfasst insbesondere das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für die Wahl der Mitglieder durch Bundestag und Bundesrat, die Festschreibung der Amtszeit auf zwölf Jahre, die Festlegung der Altersgrenze sowie der Ausschluss der erneuten Wählbarkeit.
Ein solcher neuer Absatz in Art. 94 GG könnte lauten: "Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern und anderen Mitgliedern. Die Mitglieder jedes Senats werden je zur Hälfte vom Bundestage mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit seiner Mitglieder, und vom Bundesrate mit zwei Dritteln der Stimmen gewählt."
Außerdem soll ein neuer Mechanismus zur Lösung dauerhafter Blockaden bei der Richterwahl eingefügt werden. Als Szenario wird befürchtet, dass auch schon ein Drittel der Stimmen im Bundestag oder Bundesrat ausreichen wird, um mit einer Sperrminorität die Arbeitsfähigkeit des BVerfG zu beeinträchtigen. Denn dann könnte die Nachfolgerwahl blockiert werden. Als Lösung solcher Blockadefälle soll neu geregelt werden, dass der Bundesrat für den Bundestag und umgekehrt das Wahlrecht ausüben.
Etwa so: "Kommt binnen eines Jahres nach Ablauf der Amtszeit oder dem vorzeitigen Ausscheiden eines Mitglieds des Bundesverfassungsgerichts die Wahl eines Nachfolgers durch den Bundestag oder den Bundesrat nicht zustande, wählt das jeweils andere Verfassungsorgan den Nachfolger nach den für dieses Verfassungsorgan geltenden Wahlregeln mit der nach Satz 2 erforderlichen Mehrheit."
Als weitere Sicherung soll nach dem Entwurf zudem bestimmt werden, dass Änderungen im Bundesgesetz zur gerichtlichen Verfassung und zum Verfahren des Gerichts künftig der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
Länder parteiübergreifend für Verfassungsänderung
Am Donnerstag veröffentlichten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder Bayern, Hamburg und Niedersachsen eine gemeinsame Presseerklärung über konkrete Diskussionspunkte der Arbeitsgruppe.
Man müsste jedem "Vorstoß, die Rechtsstaatlichkeit auszuhöhlen und die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken, entschieden entgegentreten", sagte Bayerns Justizminister Eisenreich (CSU) in der Erklärung. Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) betont: "Die Länder sind bereit, mit einem konkreten Gesetzentwurf ihren Beitrag zu einer fundierten Debatte zu leisten." Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD), Vorsitzende der Justizministerkonferenz mahnt: "Ohne eine unabhängige Justiz als Garantin des Rechtsstaats ist die Demokratie in akuter Gefahr, einen schnellen Tod zu sterben. Das dürfen wir nicht zulassen."
Der Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Dr. Ulrich Karpenstein begrüßte die Pläne der JuMiKo. Der parteiübergreifende Fahrplan sei von zentraler Bedeutung. "Der nun konkretisierte Beratungsgegenstand schlägt, auch dank der Expertise ehemaliger Verfassungsrichter, genau den richtigen Weg ein. So können Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit des BVerfG auch in den kommenden Jahrzehnten sichergestellt bleiben", sagt er in einem am Donnerstag veröffentlichten Statement.
Der Gesetzentwurf soll nun unter den Ländervertretern weiter beraten und zügig finalisiert werden.
Das steht im Entwurf: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53780 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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