Die Bedingungen während der Abschiebungshaft unterscheiden sich im bayerischen Hof zu wenig von denjenigen in Strafvollzugsanstalten, so der BGH. Er hat entschieden, dass Abschiebungshaft nur so streng wie nötig erfolgen darf.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Zwang in einer Abschiebungshaft nur so streng sein darf, wie es für ein wirksames Rückkehrverfahren absolut nötig ist (Beschl. v. 26.03.2024, Az. XIII ZB 85/22).
In dem Fall geklagt hatte ein Algerier, der am 6. Januar 2022 ohne Pass und Aufenthaltstitel nach Deutschland eingereist war. Einen Tag darauf ordnete das Amtsgericht (AG) Hof zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Sicherungshaft und einen Monat später die sogenannte Haft zur Sicherung der Zurückweisung an (Abschiebungshaft). Aufgrund eines andauernden Rechtsmittelverfahrens, was die Ablehnung seines Asylantrags angeht, wurde der Mann am 15. Juni 2022 entlassen. Er saß damit ganze sechs Monate in Haft.
Vor dem Landgericht (LG) Hof legte der Algerier Beschwerde ein, die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft gerichtet war. Seinem Vorbringen, dass die Abschiebungshaft in Hof gefängnisähnlichen Charakter habe, folgte das LG nicht und wies die Beschwerde zurück. Das LG begründete dies damit, dass die Abschiebungshafteinrichtung Hof baulich und organisatorisch von der Justizvollzugsanstalt getrennt sei. Außerdem könnten die Betroffenen für vier Stunden im Monat Besucher empfangen. Schließlich könnten Häftlinge innerhalb der Anstalt von 9 Uhr bis 19 Uhr frei herumlaufen (sogenannter Aufschluss).
BGH: Aufschluss für eine Abschiebungshaft zu kurz
Doch gerade wegen dieser Aufschlusszeit war für den XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) klar, dass sich die Abschiebungshaft in Hof gerade nicht hinreichend von der normalen Strafhaft unterscheidet. Das muss sie aber, denn Ausreisepflichtige dürfen in der Regel nicht in normalen Haftanstalten untergebracht werden. Der BGH gab der Rechtsbeschwerde des Algeriers deswegen statt.
Die für die Abschiebungshaft in diesem Fall einschlägige Norm ist § 62a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung von 2019. Da diese Norm auf einer Richtlinie der EU beruht, ist sie laut dem BGH richtlinienkonform auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zuvor schon entschieden, dass Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCH) sowie Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) es gebieten, dass der Ort der Unterbringung und ihre Bedingungen angemessen sein müssen. § 62a Abs. 1 AufenthG 2019 ist daher laut BGH richtlinienkonform so auszulegen, dass Einschränkungen einer Abschiebungshaft nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen dürfen.
Unter diesem Aspekt verwies der BGH maßgeblich auf die einschlägigen Gesetze in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, in denen ein Einschluss nur für die Zeiten üblicher Nachtruhe von 22 Uhr bis 7 Uhr vorgesehen ist. Auch die Besuchszeiten von vier Stunden im Monat sind nach Ansicht des Senats zu gering bemessen, auch wenn dies über die Mindestbesuchszeit im Strafvollzug nach Art. 27 Abs.1 Satz 2 Bayerisches Strafvollzugsgesetz (BayStVollzG) – eine Stunde im Monat – hinausgeht.
Haftrichter müssen laut BGH also detailliert prüfen, ob die Bedingungen in der jeweiligen Abschiebungshaftanstalt entsprechend diesen Maßgaben rechtskonform sind. Sollte dies nicht der Fall sein, müsse der Haftrichter die Anordnung der Haft ablehnen, so der BGH. Das dürfte für die Landesgesetzgeber nun ein starker Anreiz sein, ihre Regeln über die Haftbedingungen zu überprüfen. Außer der Dauer des Aufschlusses und der Besuchszeiten hatte der BGH indes nichts zu beanstanden.
kj/LTO-Redaktion
BGH zur Abschiebungshaft: . In: Legal Tribune Online, 05.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54705 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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