Mit Spannung haben Teilnehmer von Glücksspielen, die Tausende Euro verloren haben, auf ein höchstrichterliches Urteil zu Rückzahlungen bei unerlaubten Sportwetten gewartet. Sie müssen sich jetzt weiter gedulden.
Der Rechtsstreit um die Rückerstattung von Verlusten bei unerlaubten Sportwetten wird zum Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Bundesgerichtshof (BGH) will dort eine Frage zur Dienstleistungsfreiheit der Anbieter klären lassen. Das Verfahren zur Klage gegen den Wettanbieter Tipico werde ausgesetzt, bis eine Entscheidung der Luxemburger Richterinnen und Richter ergeht, teilte der BGH (Urt. v. 25.07.2024, Az. I ZR 90/23).
Konkret möchte der BGH wissen, ob es die Dienstleistungsfreiheit eines Glücksspielanbieters mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausschließt, einen Sportwettenvertrag als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde.
Gibt es 3.700 verzockte Euro zurück?
In dem Fall hatte ein Spieler von 2013 bis 2018 an Sportwetten von Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3.700 Euro verloren, die er nun vor Gericht zurückverlangt. Seiner Ansicht nach waren die Sportwetten unzulässig und die Wettverträge unwirksam, weil der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörde hatte. Das Klagerecht hatte ihm im Laufe des Verfahrens der Prozessfinanzierer Gamesright abgekauft. Der Fall ist über den Tipico-Sachverhalt hinaus spannend, weil er wegweisend auch für andere Glücksspielveranstalter sein könnte, wie etwa die beliebten Online-Casinos.
Tipico-Anwalt Ronald Reichert bewertet die Entscheidung des BGH als großen Erfolg. Nur der EuGH könne Unionsrecht klären. Er habe für einen strafrechtlichen Fall bereits klar entschieden, dass das Fehlen einer deutschen Konzession aufgrund eines intransparenten Vergabeprozesses den in der EU lizenzierten Anbietern nicht entgegengehalten werden dürfe. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass der EuGH dies auch im konkreten Fall so bestätigen wird."
Aus Sicht von Gamesright zeigt der Gang nach Luxemburg die Komplexität und Bedeutung der rechtlichen Fragen. "Wir werden für die Verbraucher weiter kämpfen", hieß es seitens des Prozessfinanzierers.
Vorinstanzen in Baden-Württemberg entschieden gegen den Spieler
In den Vorinstanzen hatte die Klage des Spielers keinen Erfolg. Zuletzt hatte das Landgericht Ulm erklärt, Tipico habe zwar gegen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags in der damals gültigen Fassung von 2012 verstoßen, die Wettverträge seien aber dennoch wirksam.
Anfang April hatte sich angedeutet, dass der BGH eventuell anderer Meinung sein könnte. Damals wurde ein Hinweisbeschluss des Gerichts zu einem ähnlichen Fall öffentlich, der den Spielern den Rücken stärkte. Auch in dem aktuellen Fall erklärte Thomas Koch, Vorsitzender Richter des zuständigen ersten Zivilsenats, zu Beginn der mündlichen Verhandlung im Juni, der Senat neige nach vorläufiger Einschätzung dazu, solche Verträge ohne Konzession als nichtig anzusehen – und zwar auch dann, wenn die Anbieter eine Erlaubnis zur Veranstaltung der Sportwetten schon beantragt hätten.
Urteil könnte noch größere Klagewelle auslösen
Ein verbraucherfreundliches Urteil könnte eine noch größere Klagewelle lostreten, als es sie ohnehin schon gibt. An deutschen Gerichten laufen Tausende ähnliche Verfahren. Das liegt zum einen daran, dass neben Tipico auch viele andere Wettanbieter vor Jahren in einer rechtlich unklaren Lage Sportwetten angeboten hatten. Zum anderen haben sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen spezialisiert, eben so wie das hier klagende Unternehmen Gamesright. Der Prozessfinanzierer geht davon aus, dass ein Urteil zugunsten der Glücksspieler noch mehr Betroffene zu Klagen ermutigen könnte.
dpa/xp/LTO-Redaktion
BGH legt dem EuGH vor: . In: Legal Tribune Online, 25.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55072 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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