Ehemann und Tochter einer schwer kranken Komapatientin haben bisher vergeblich versucht, die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen zu lassen. Für eine Wende könnte nun der BGH sorgen: Das Betreuungsgericht habe bei der Beurteilung des Willens der Patientin zu Unrecht einen besonders strengen Maßstab angelegt, weil diese nicht im Sterben lag.
Soll ein mutmaßlicher Patientenwille für oder gegen eine ärztliche Behandlung ermittelt werden, so gelten hierfür zwar strenge Beweismaßstäbe. Diese werden aber nicht deshalb noch strenger, weil der Patient nicht zu sterben droht. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Komapatientin entschieden (Beschl. v. 17.09.2014, Az. XII ZB 202/13).
Die Richter in Karlsruhe hoben damit eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Chemnitz auf, welches wiederum die Beschwerde der Betreuer zurückgewiesen hatte. Der Ehemann und die Tochter der erkrankten Wachkomapatientin hatten beantragt, ihre lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen. Denn die Mediziner hätten wenig Chancen für eine Verbesserung ihres Zustandes eingeräumt. Die Patientin werde über eine Magensonde ernährt und sei nicht ansprechbar. Die Frau hatte 2009 schwere Gehirnblutungen erlitten.
Ihren Antrag stützten Mann und Tochter auch darauf, dass ihre Angehörige vor ihrer Erkrankung gegenüber Verwandten und Freunden den Wunsch geäußert habe, im Falle einer schweren Krankheit keine lebenserhaltenden Maßnahmen in Anspruch nehmen zu wollen. Eine bindende Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hatte die Frau jedoch nicht niedergelegt.
Etwaige Patientenwünsche zu Unrecht nicht berücksichtigt
Sowohl das Amtsgericht (AG) Stollberg als Betreuungsgericht als auch das LG hatten daher den Antrag ihres Mannes und ihrer Tochter abgelehnt. Das LG war dabei davon ausgegangen, dass für die Feststellung eines mutmaßlichen Patientenwillens besonders strenge Anforderungen gelten müssten, wenn der Tod des Patienten nicht unmittelbar bevorstehe.
Diese Ansicht teilt der für Betreuungssachen zuständige XII. Zivilsenat des BGH jedoch nicht. Er verwies zurück an das LG mit dem Hinweis, dass es für die Feststellung des mutmaßlichen Willens des Patienten unerheblich sei, in welchem Zustand sich dieser befinde.
Das schreibe § 1901 a Abs. 3 BGB ausdrücklich vor. Die anzulegenden Beweismaßstäbe seien ohnehin schon streng, da sie der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung tragen müssten. Sie hätten unabhängig davon zu gelten, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht. Das LG habe etwaige geäußerte Behandlungswünsche der Frau daher zu Unrecht nicht berücksichtigt. Ob die Patientin also vor ihrem Koma Äußerungen getroffen hat, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten - auch wenn diese nicht den Anforderungen an eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB genügen -, müssen die Chemnitzer Richter nun prüfen und dann erneut entscheiden. Auf ihren mutmaßlichen Willen käme es dann gar nicht an.
una/LTO-Redaktion
BGH zu Wachkoma-Patientin: . In: Legal Tribune Online, 16.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13500 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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