Kind durch Behandlungsfehler gestorben: BGH bestä­tigt Ver­ur­tei­lung eines Arztes

10.07.2024

Vor 17 Jahren ist ein neunjähriges Kind durch Fehler eines HNO-Arztes zu Tode gekommen. Das LG Hamburg sprach den Arzt deswegen der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Seine Revision beim BGH blieb nun erfolglos.

Ein 17 Jahre dauernder Justizmarathon ist nun zu Ende: Die Verurteilung eines HNO-Arztes wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Strafgesetzbuch (StGB)) ist nach erfolgloser Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) rechtskräftig (Beschl. v. 18.06.2024, Az. 5 StR 67/24).

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte den Arzt am 8. Juni 2023 zu einer Geldstrafe von 66.000 Euro (150 Tagessätze zu je 440 Euro) verurteilt (Urt. v. 08.06.2023, Az. 604 Ks 10/21). Wegen der überlangen Verfahrensdauer hatte das LG allerdings zugleich entschieden, dass die Geldstrafe zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer in voller Höhe als vollstreckt gilt, sodass der Arzt wegen der Versäumnisse der Justiz letztlich doch nichts zahlen muss.

Am 14. März 2007 nahm der Arzt bei einem neunjährigen Kind eine Routine-Operation vor. Nach dem komplikationslos verlaufenen Eingriff wurde der narkotisierte Patient im Aufwachraum in stabile Seitenlage verbracht. Als der verurteilte Arzt nach zehn Minuten in den Aufwachraum zurückkehrte, stellte er fest, dass das Kind nicht mehr atmete. Obwohl ihm zunächst noch eine Reanimation gelang und der Junge mit dem Hubschrauber in eine Klinik verbracht wurde, verstarb das Kind eine Woche später an einer durch Sauerstoffmangel ausgelösten schweren Hirnschädigung.

Ärztliche Standards missachtet

Todesursache war eine bei derartigen Eingriffen häufig auftretende Blutung, welche die Atemwege des Kindes verstopfte. Da wegen der noch wirkenden Narkose der Hustenreflex unterdrückt war, führte dies zum Atemstillstand.

Bei Einhaltung der seinerzeit geltenden ärztlichen Standards wäre der Tod des Kindes vermieden worden, stellten die Gerichte fest. Hierzu hätte unter anderem gehört, die Sauerstoffsättigung des Blutes laufend zu kontrollieren. Zudem wäre erforderlich gewesen, das Atmen des Kindes lückenlos durch geschultes Personal überwachen zu lassen. Diese Vorkehrungen wurden in der Praxis des verurteilten Arztes laut gerichtlichen Feststellungen bewusst unterlassen.

§ 227 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt im Sinne des § 18 StGB (auch Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination genannt). Der Arzt beging demnach eine vorsätzliche Körperverletzung, die aufgrund von Fahrlässigkeit zum Tode führte. Ärztliche Operationen stellen stets eine vorsätzliche Körperverletzung dar; nur soweit der Arzt "lege artis" handelt, also den wissenschaftlichen Standards und der ärztlichen Kunst entsprechend, ist die Körperverletzung aufgrund der Einwilligung des Patienten gerechtfertigt.

Anklage erst nach Entscheidung des BVerfG

Das im April 2007 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Arzt wurde im Folgejahr zunächst nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Im Jahr 2011 wurde es aufgrund einer Strafanzeige wieder aufgenommen und 2013 erneut eingestellt, nunmehr gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen eine Geldzahlung von 5.000 Euro.

Zur Anklageerhebung gegen den Angeklagten kam es erst 2021, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwischenzeitlich zweimal Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg aufgehoben hatte, mit denen dieses das 2014 von den Nebenklägern (unter anderem der Mutter des Kindes) angestrengte Klageerzwingungsverfahren einmal als unzulässig und einmal als unbegründet verworfen hatte.

Die Überprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben, entschied nun der BGH. Das Urteil des LG Hamburg ist damit rechtskräftig.

PM/kj/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Kind durch Behandlungsfehler gestorben: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54970 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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