BGH zur verabredeten Mordanstiftung: Ver­ur­tei­lung auch ohne Haupt­täter

von Hasso Suliak

03.01.2024

Wieder ein strafrechtliches Urteil von Examensrelevanz: Laut BGH machen sich auch diejenigen wegen einer Verabredung zur versuchten Anstiftung zum Mord strafbar, die noch keinen Täter für ihren ausgeklügelten Verbrechensplan gefunden haben. 

Die Voraussetzungen einer versuchten Verbrechensbeteiligung nach § 30 Strafgesetzbuch (StGB) könnten nach einer jetzt bekanntgewordenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum beliebten Examensstoff avancieren. In einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil konkretisierte der 6. Strafsenat die Tatbestandsmerkmale des zweiten Absatzes der Vorschrift und stellt klar: Wer sich mit einem anderen dazu verabredet, jemanden Drittes zu einem Verbrechen zu bestimmen oder anzustiften, macht sich selbst dann wegen Versuchs zu dieser Straftat strafbar, wenn ein Täter noch gar nicht feststeht (Urt. v. 29.11.2023, Az. 6 StR 179/23) 

Im konkreten Fall ging es um die Verabredung zweier Männer, einen Dritten zu einem Mord anzustiften. Der Angeklagte L. entwickelte dabei den Plan, eine Person zu finden, die gegen Zahlung von bis zu 10.000 Euro bereit war, seinen verhassten Nachbarn zu töten. Zwischen diesem und L. herrschte heilloser Streit, der in diversen Strafanzeigen gipfelte. L. hatte eines Tages gelinde gesagt "die Schnauze voll": Der Nachbar sollte nun entweder getötet oder zumindest so schwer verletzt werden, dass er zum Pflegefall würde und wegziehen müsse. 

Da L. allerdings über keinerlei Kontakte zu potenziellen Mördern verfügte, sprach er im Sommer 2021 den Angeklagten H. an. Dieser, offenbar besser vernetzt in entsprechenden Kreisen, verabredete mit L. sodann eine gemeinsame Suche nach einem Täter, wobei H. sich das Tötungsanliegen von L. laut Gericht zu eigen machte. Umgebracht werden sollte der Nachbar noch vor Weihnachten 2021. H. machte sich daraufhin in seinem Bekanntenkreis auf die Suche. Er vermittelte zunächst drei Personen, die sich jedoch später als ungeeignet erwiesen. Zudem bekam H. den Hinweis, dass die Polizei Kenntnis von der Tatplanung erhalten hatte. Das gemeinsame Vorhaben wurde daraufhin erst einmal abgeblasen.  

LG Magdeburg: strafloses Vorbereitungsstadium   

Gleichwohl flog der Mordplan auf. Allerdings durften sich L. und H. vor dem Landgericht Magdeburg (LG) zunächst über Freisprüche freuen. Das LG verneinte zum einen die Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB).  Die Angeklagten hätten sich lediglich der allgemeinen Tatbereitschaft der angesprochenen Personen versichert. Die Voraussetzungen für eine Verabredung der Angeklagten, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 2, Variante 3 Alt. 2 StGB), seien ebenfalls nicht erfüllt. Denn es fehle an einer hinreichenden Konkretisierung der vorgesehenen Anstiftung.

Zwar müsse der Anstifter keine detaillierten Vorgaben machen, wenn ihm die Art der Tatausführung gleichgültig sei. Erforderlich sei jedoch eine hinreichend konkretisierte Anstiftungshandlung. Die allgemeine Verabredung zwischen L. und H., irgendeine Person zu finden, sei indes zu vage und liege lediglich im straflosen Vorbereitungsstadium. Die Absprachen mit den aus Sicht der Angeklagten drei tatbereiten Personen seien inhaltlich nicht konkret gewesen. Außerdem habe es an der hinreichenden Verbindlichkeit der Abrede zwischen den Angeklagten gefehlt; die Übereinkunft sei jedenfalls nicht auf eine zwingende gemeinsame Umsetzung gerichtet gewesen. 

BGH: Wechselseitige psychische Bindung entscheidend 

Auf eine Revision der Staatsanwaltschaft hin kassierte der BGH nun diese Rechtsauffassung. Die Angeklagten hätten sich sehr wohl einer verabredeten Anstiftung zum Mord bzw. zur schweren Körperverletzung im Sinne von § 30 Abs. 2 strafbar gemacht. Die Verabredung zur Anstiftung setze lediglich eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften. Dabei müsse die in Aussicht genommene Tat zwar zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, nicht aber bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein. Und: Solange sie nicht völlig im Vagen blieben, könnten sogar Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen noch offen liegen.  

Im konkreten Fall hätten L. und H. ein konkret-individualisierbares Geschehen ernstlich verabredet. Dies gelte sowohl für das Bestimmen eines mutmaßlichen Täters als auch für die von diesem zu begehende Haupttat. Festgestanden hätte, so der BGH, sowohl Tatopfer, die in Betracht gezogene Begehungsweise bei der Auswahl des späteren Täters sowie Tatmotiv. Auch habe es eine Verständigung über den Tatzeitraum – möglichst vor Weihnachten 2021 – gegeben. 

Keine Bedeutung misst der BGH dem Umstand zu, dass im Zeitpunkt der Verabredung zwischen L. und H. ein mutmaßlicher Täter noch nicht feststand und sogar unklar war, ob überhaupt jemals ein solcher gefunden werden konnte. "Hierbei handelt es sich um vom Willen der Beteiligten losgelöste Bedingungen, denen mit Blick auf den Zweck der zeitlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zukommt", so der BGH. 

Jedenfalls seien die Angeklagten fest entschlossen gewesen, nach erfolgreicher Suche die tatgeneigte Person anzustiften. "Schon die Willensbindung der Beteiligten begründete eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstiftungsversuch und die Begehung der Haupttat wahrscheinlicher macht", sagt der BGH. 

Auf L. und H. wartet nun eine erneute Verhandlung vor einer anderen Schwurgerichtskammer des LG Magdeburg.  

Zitiervorschlag

BGH zur verabredeten Mordanstiftung: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53546 (abgerufen am: 16.11.2024 )

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