BFH: Zivilprozesskosten sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

13.07.2011

Die Kosten eines Zivilprozesses können unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Das entschieden die obersten Finanzrichter in einem am Mittwoch bekannt gewordenen Urteil.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Sie mindern die Steuerlast jedoch nur soweit, wie sie eine zumutbare Eigenbelastung übersteigen.

Bei den außergewöhnlichen Belastungen handelt es sich um dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die Kosten hinausgehen, die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

Mit dem nun veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei (Urt. v. 12.05.2011, Az. VI R 42/10).

Bis in die letzte Instanz

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Arbeitnehmerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe.

Daraufhin erhob die Frau erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 Euro machte sie in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht (FG) bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 Euro "zurückgreifen".

Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

tko/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BFH: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3757 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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