Der BFH hat in zwei Revisionsverfahren über die Auslegung einer Norm zur Mindestbesteuerung entschieden, die er ursprünglich als unverständlich beurteilt und deshalb dem BVerfG vorgelegt hatte. In beiden Fällen interpretierte das oberste Finanzgericht die Vorschrift nunmehr zugunsten der Steuerzahler.
Die betroffene Regelung zur "quellenbezogene Mindestbesteuerung" des § 2 Abs. 3 galt von 1999 bis 2003. Sie war nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) sprachlich nahezu unverständlich. In der Fachwelt zog sie massive Kritik auf sich. Deshalb legte der BFH sie wegen Verstoßes gegen die Normenklarheit (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor.
Das BVerfG wies den Vorlagebeschluss zurück. Deshalb musste der BFH jetzt in der Sache entscheiden. Es ging um die Frage, ob im Rahmen des Rücktrags eines 1999 erzielten Verlustes in den Veranlagungszeitraum 1998 § 2 Abs. 3 EStG angewendet werden darf.
Ein Ehepaar hatte 1999 Verluste erzielt, die in das Vorjahr nach § 10d EStG zurückzutragen waren. Das Finanzamt hatte die Verluste nur zum Teil mit positiven Einkünften der Kläger aus 1998 verrechnet. Es war der Ansicht, § 2 Abs. 3 EStG beschränke die Höhe des Verlustrücktrags. Das Ehepaar hingegen wollte den vollen Verlust berücksichtigt wissen.
Der BFH gab dem Ehepaar in vollem Umfang recht. Nach den maßgeblichen Anwendungsbestimmungen (§ 52 Abs. 1 und Abs. 25 Satz 1 EStG) sei § 2 Abs. 3 EStG auf einen Verlustrücktrag gem. § 10d EStG von 1999 nach 1998 nicht anzuwenden (Urt. vom 09.03.11, Az. IX R 72/04)
In einem zweiten Verfahren war die Frage zu entscheiden, ob § 2 Abs. 3 EStG lediglich negative Einkünfte erfasst, die nicht wirtschaftlich erzielt werden (sog. "unechte" Verluste), oder ob darunter auch solche Verluste fallen, die tatsächlich wirtschaftlich erzielt werden (sog. "echte" Verluste).
Der BFH gab auch in diesem Verfahren den Steuerpflichtigen in vollem Umfang Recht. § 2 Abs. 3 EStG bedürfe der Auslegung, da der Wortlaut der Norm für sich genommen keinen eindeutigen Sinn ergebe. Die Regelung sei wirtschaftlich zu verstehen und dahin auszulegen, dass sie nur so genannte unechte Verluste betreffe: Dabei zählten negative Einkünfte jedenfalls insoweit zu den "unechten" Verlusten, als sie auf die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen zurückzuführen seien. Demgegenüber könnten tatsächlich wirtschaftlich erzielte "echte" Verluste in vollem Umfang ausgeglichen werden (Urt. vom 09.03.11, Az.: IX R 56/05).
cdu/LTO-Redaktion
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