Der Verkauf von erwärmtem Popcorn und Nachos in Kinos durch den Betreiber unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Dies entschieden die obersten Finanzrichter in einem am Mittwoch bekannt gegeben Urteil und folgten damit der Rechtsprechung aus Luxemburg.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte das Finanzamt (FA) bei seiner gegenteiligen Entscheidung in dem konkreten Fall eines Kinobetreibers zu Unrecht berücksichtigt, dass in dem Foyer des Lichtspielhauses Verzehrtresen, Tische und Stühle vorhanden waren, die auch zum Verzehr der Speisen benutzt werden konnten, aber allen Kinobesuchern zur Verfügung standen (Urt. v. 30.06.2011, Az. V R 3/07).
Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob es sich bei der Abgabe von zubereiteten Speisen um eine Lieferung handelt oder ob damit verbundene Dienstleistungselemente - wie die Zubereitung der Speisen, die Überlassung von Besteck und das Bereithalten von Verzehrvorrichtungen (Verzehrtheken, Tische und Stühle) - den Umsatz insgesamt als Dienstleistung qualifizieren, war Gegenstand des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 10. März 2011.
Hierbei ging es um den Umsatzsteuersatz bei der Abgabe von Speisen zum sofortigen Verzehr durch Imbissstände (Az. C-497/09 und C-501/09), durch einen Partyservice (Az. C-502/09) sowie den hier zugrunde liegenden Fall beim Verkauf von Popcorn und Nachos durch einen Kinobetreiber (Az. C-499/09). Die Abgrenzung von Dienstleistungen und Lieferungen ist dabei insofern entscheidend, als die Begünstigung von im Umsatzsteuergesetz (UStG) näher umschriebenen Lebensmittelzubereitungen durch Besteuerung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG deren Lieferung voraussetzt und Dienstleistungen daher nicht begünstigt sind.
Popcorn und Nachos sind Standardspeisen
Der EuGH hatte hierzu entschieden, dass die Zubereitung des warmen Endproduktes allein dem Umsatz nicht den Charakter einer Dienstleistung verleiht, wenn sie sich auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage vorgenommen werden.
Treten - wie in der Regel bei Imbissständen und in Kinos – in diesen Fällen keine für Restaurationsumsätze charakteristischen Dienstleistungsbestandteile hinzu (wie zum Beispiel Kellnerservice, Beratung oder die Bereitstellung von Mobiliar, wenn dieses nur der Einnahme der Speisen dient), handele es sich um eine Lieferung, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Lägen demgegenüber keine Standardspeisen vor, sondern erfordere deren Zubereitung mehr Arbeit, Sachverstand und Kreativität, werden dem Kunden etwa Menüfolgen angeboten oder erfolgt die Abgabe zu einem festgelegten Zeitpunkt, wie dies regelmäßig bei einem Partyservice der Fall ist, sei die Dienstleistung der dominierende Bestandteil des Umsatzes.
Der BFH hat dem folgend nun entschieden, dass die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Es handele sich beim Verkauf von Popcorn und Nachos um die Abgabe von Standardspeisen. Im dem zu entscheidenden Fall hätten - entgegen der Auffassung des FA - keine prägenden Restaurationsleistungen zum Angebot gehört. Denn als Dienstleistungselement dürfe bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden nicht berücksichtigt werden, wenn es - anders als im entschiedenen Fall die Tische und Stühle im Kino-Foyer - nicht ausschließlich dazu bestimmt sei, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern.
tko/LTO-Redaktion
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BFH: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4593 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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