Wer keine Maske trägt, der kommt am AG Reutlingen nicht weiter als bis zur Pforte. Weil ein Mann deshalb seine Verhandlung verpasste, behandelte ihn das Gericht so, als sei er unentschuldigt ferngeblieben.
Weil er seinen Hund ohne Leine laufen ließ, sollte ein Hundehalter 75 Euro Bußgeld zahlen. Er legte Einspruch ein - und erschien zu dem darauf folgenden Gerichtstermin vor dem Amtsgericht (AG) Reutlingen ohne Maske. Weil ihm daraufhin kein Zutritt zu den Räumlichkeiten gewährt wurde, behandelte ihn das Gericht so, als sei er der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben - und verwarf den Einspruch des Mannes (Urt. v. 11.09.2020, Az. 9 OWi 29 Js 9730/20).
In dem Gerichtgebäude gilt wegen der Corona-Pandemie die Maskenpflicht, um das Infektionsrisiko zu verringern. Auf Verfügung des Richters war zudem auch während der Verhandlung eine Maske zu tragen, was dem Mann laut Urteil bereits in der Ladung mitgeteilt worden war. Der Mann habe auch kein ärztliches Attest vorlegen können, wonach er von der Maskenpflicht zu befreien sei.
Der Hundehalter weigerte sich nach Gerichtsangaben trotzdem vehement, auch eine ihm vom Gericht vor Ort bereitgestellte Maske anzulegen. Er zeigte sich nur bereit, ein Obstnetz über das Gesicht zu ziehen, was der letztlich zu der Auseinandersetzung am Gerichtseingang hinzugegezogene Präsident des AG nicht durchgehen ließ. Nachdem der Gerichtspräsident dem Mann signalisierte, jederzeit hereingelassen zu werden, sodenn er nur eine richtige Maske trüge, betrat der Hundehalter das Gebäude schließlich nicht.
Der Situation entsprechendes Erscheinen könne erwartet werden
Das AG legte in seiner Entscheidung daraufhin den § 74 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) aus. Die Norm bestimmt, dass der Einspruch verworfen werden soll, wenn der Betreffende ohne Entschuldigung ausbleibt.
Nach Ansicht des AG ist damit jemand, der vor Gericht in einem Zustand erscheint, nach dem ihm aus Gründen des Infektionsschutzes kein Zutritt gewährt werden kann, gleichzusetzen mit jemandem, der erst gar nicht erscheint - jedenfalls dann, wenn er diesen Zustand jederzeit (in diesem Fall durch Tragen einer Maske) positiv beeinflussen kann. Schließlich könne, so das AG, unter diesen Voraussetzungen von jedem Verfahrensbeteiligten erwartet werden, so vor Gericht zu erscheinen, dass ihm unter Berücksichtigung der Rechtsgüter der anderen anwesenden Personen Zutritt gewährt werden kann.
Der Mann hatte nach Gerichtsangaben bereits im Rahmen einer anderen Verhandlung vor einigen Wochen seinen Unmut über die Maskenpflicht kundgetan. Außerdem habe er mitgeteilt, Mitglied in dem Verein "Querdenken 711" zu sein, dessen Mitglieder u. a. die Existenz der Corona-Pandemie leugnen.
vbr/ms/LTO-Redaktion
AG Reutlingen verwirft Einspruch eines "Querdenkers": . In: Legal Tribune Online, 16.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42816 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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