Ein Veto gegen das geplante Fahrverbot für Straftäter, mehr Aufklärung zum Thema Smartphone am Steuer, bessere Radwege und kein Fahreignungstest für Senioren: Der Verkehrsgerichtstag präsentiert dem Gesetzgeber seine Empfehlungen.
Der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag (VGT) hat ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen. An der traditionsreichen, jährlichen Tagung nahmen rund 2.000 Juristen, Wissenschaftler und Verkehrsexperten teil. Der VGT endete am Freitag mit der Vorstellung einer Reihe von Empfehlungen für den Gesetzgeber.
Ein zentrales Anliegen des VGT betrifft eine Steigerung der Verkehrssicherheit und die Verhinderung von Unfällen. Dazu sollte die Polizei auf der Straße wieder sichtbarer werden und insbesondere wieder mehr Verkehrskontrollen eingeführt werden. Tempomessungen durch Privatfirmen erteilten die Experten indes eine Absage: "Die Herrschaft über Geschwindigkeits- und Abstandsmessung" dürfe aus rechtlichen Gründen ebenso wenig auf Private übertragen werden wie Messauswertungen oder Ermittlungen, die zu Sanktionen für Verkehrsteilnehmer führen können.
Das von der Bundesregierung geplante Fahrverbot für Delikte außerhalb des Straßenverkehrs lehnt der VGT ebenfalls ab. Für dieses gebe es keinen Bedarf. Das Bundeskabinett hatte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas beschlossen, wonach Straftäter künftig auch den Entzug ihres Führerscheins fürchten müssen. Fahrverbote von bis zu sechs Monaten sollen als neue mögliche Sanktion künftig für alle Straftaten verhängt werden können. Dies würde zu einer Ungleichbehandlung von Personen mit und ohne Fahrerlaubnis führen, kritisierte der VGT. Die Gerichte sollten vielmehr "das Potenzial der Geldstrafe" ausschöpfen, indem die Vermögensverhältnisse von Straftätern gründlich ermittelt werden.
Bessere Radwege, Fahrassistent als Pflichtausrüstung
Weiterhin regen die Teilnehmer an, für den zunehmenden Radverkehr in Deutschland überall durchgehende Verkehrsnetze zu schaffen. Die Infrastruktur für Radfahrer solle "generell einfach, selbsterklärend und sicher" gestaltet werden und den Standards der Forschungsgesellschaft für Straßenbau- und Verkehrswesen entsprechen.
Der VGT fordert zudem speziell ausgebildete und ausgerüstete Fahrrad-Staffeln der Polizei für Städte mit nennenswertem Fahrradverkehr. Dies würde zu mehr Akzeptanz der Verkehrsregeln bei Rad- und Kraftfahrern führen. Außerdem solle sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Kraftfahrzeuge künftig mit Fahrassistenten ausgerüstet werden, die Kollisionen mit Fahrradfahrern zu verhindern helfen, etwa Abbiegeassistenten bei Lkw oder Notbremsassistenten bei Autos.
Keine Fahreignungstests für Senioren, Smartphone als Unfallursache
Für ältere Autofahrer sollte es vorerst keine verbindlichen Fahreignungstests geben. Es gebe zwar Hinweise darauf, dass ältere Menschen als Kraftfahrer ein zunehmendes Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen. Es fehle aber noch die Datengrundlage zur Risikoabschätzung. Bis dahin seien Senioren aufgerufen, selbst zu prüfen, ob sie noch Autofahren können. Denkbar seien zum Beispiel Fahrten, bei denen ein Fahrlehrer oder Psychologe die Fahreignung auf freiwilliger Basis einschätzt.
Gegenmaßnahmen sollen aber für die Nutzung von Smartphones und anderen elektronischen Geräten während der Fahrt eingeleitet werden. Simsen oder Surfen am Steuer soll nach dem Willen des VGT "gesellschaftlich geächtet" werden; die Gefahren durch Ablenkung würden allgemein unterschätzt. Der VGT empfiehlt die Einbeziehung des Themas in die schulische Verkehrserziehung, Aufklärungskampagnen und technische Lösungen, die die Nutzung von Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmedien durch Fahrer unterbinden. Wer wiederholt bei der Nutzung erwischt wird, sollte zusätzlich zum Bußgeld ein Fahrverbot erhalten und zu einer Schulungsmaßnahme verpflichtet werden.
Besseren Rechtsschutz durch Einführung einer Musterfeststellungsklage soll es schließlich für Käufer der vom Abgas-Skandal betroffenen Fahrzeuge geben. Betroffene sollen sich diesem Verfahren weitgehend kostenlos anschließen können. Im Vorfeld des Verkehrsgerichtstags hatten Experten beklagt, dass es sich unterscheidende Urteile deutscher Gerichte zu möglichen Schadensersatzansprüchen gegen Hersteller oder Händler gibt. Dies habe zu großer Unsicherheit der Verbraucher geführt, zumal das Prozessrisiko Einzelklagen hoch sei.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Beschlussempfehlungen des Verkehrsgerichtstags: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21919 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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