Cannabis am Steuer: Bun­destag besch­ließt THC-Grenz­wert für Auto­fahrer

07.06.2024

Ein Bier und ab ans Steuer? Die 0,5 Promillegrenze ist damit wohl nicht überschritten. Und bei Cannabis? Analog zur Promillegrenze hat der Bundestag nun einen THC Grenzwert vom 3,5 ng THC im Straßenverkehr festgelegt. Doch es gibt Ausnahmen:

Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz und Anbau von Cannabis für über 18-Jährige unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Begleitend folgen jetzt Regelungen für den Straßenverkehr, über die Fachleute seit längerem diskutieren.

Der Bundestag beschloss am späten Donnerstagabend ein Gesetz der Ampel-Koalition, das einen Grenzwert für den Wirkstoff THC am Steuer und Geldbußen bei Verstößen festlegt – ähnlich der 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol. Und zwar von 3,5 Nanogramm (ng) THC.

Bisher galt die strikte Linie, dass schon beim Nachweis von Tetrahydrocannabinol (THC) Konsequenzen drohen. In der Rechtsprechung hat sich ein Wert von 1 Nanogramm je Milliliter Blut etabliert. Beim Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten schon 2022 für eine "angemessene" Heraufsetzung aus. Denn dies sei so niedrig, dass viele sanktioniert würden, bei denen sich eine Fahrsicherheitsminderung nicht begründen lasse.

Eine von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eingesetzte, interdisziplinäre Arbeitsgruppe hatte bereits im März vorgeschlagen, den Wert auf 3,5 ng anzuheben und das Straßenverkehrsgesetz (StVG) entsprechend zu ändern. Das Amtsgericht (AG) Dortmund sprach aufgrund dieser Empfehlung Anfang April einen Autofahrer mit einer THC-Konzentration von 3,1 ng/ml im Blut frei (Urt. v. 11.04.2024, Az. 729 OWi-251 Js 287/24 -27/24).

500 Euro Bußgeld, einen Monat Fahrverbot

Wer künftig vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr hinter dem Steuer sitzt, riskiert in der Regel ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro und einen Monat Fahrverbot. Die Schwelle folgt Empfehlungen einer Expertenkommission des Verkehrsministeriums, wonach ab dann eine sicherheitsrelevante Wirkung "nicht fernliegend" ist. Vergleichbar sei es mit 0,2 Promille Alkohol und liege klar unter der Schwelle von 7 Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt. Eingerechnet ist auch ein Zuschlag für Messfehler.

Eine neue Ordnungswidrigkeit stellt es künftig dar, wenn zum Kiffen auch noch Alkohol dazukommt. Hat man die Schwelle von 3,5 Nanogramm THC oder mehr erreicht, gilt ein Verbot von Alkohol am Steuer. Wer sich also schon den ein oder anderen Joint genehmigt hat, sollte lieber die Finger von Alkohol lassen. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 1000,- Euro.

Für Fahranfänger ändert sich nicht wirklich viel. Wie auch schon bei Alkohol heißt es: In der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für unter 21-Jährige gilt ein Cannabis-Verbot - der Grenzwert von 3,5 greift also nicht. Verstößt man gegen diese Regelung, kommt ein Bußgeld von 250 Euro hinzu.

Ausnahme bei medizinischer Einnahme

Bei THC am Steuer geht es um Cannabiskonsum aller Art, wie im Entwurf erläutert wird – also Joints, aber auch THC-haltige Esswaren, Getränke, Öle und Extrakte. Nicht ordnungswidrig handeln jedoch Konsumenten in dem Fall, wenn das THC "aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt".

Bei Kontrollen sollten empfindliche Speicheltests "als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums" eingesetzt werden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Wenn jemand Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeige, sei aber in jedem Fall auch bei negativem Speicheltest eine Blutprobe erforderlich.

Dass Rauschmittel die Fahrtüchtigkeit beeinflussen, ist unbestritten. Bei Cannabis ist die Wirkungsweise aber nicht dieselbe wie bei Alkohol. So ist ein "Herantasten" an den THC-Grenzwert nicht möglich, wie es im Entwurf heißt. Die Expertenkommission wies auf Studien zur Wirkung hin. Sicherheitsrelevante Effekte treten demnach am stärksten 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum auf und klingen nach drei bis vier Stunden wieder ab. Dabei falle bei Konsumenten, die höchstens einmal in der Woche kiffen, die THC-Konzentration in einigen Stunden ab. Bei häufigem Konsum könne sich THC im Körper anreichern und noch Tage bis Wochen im Blut nachweisbar sein.

Cannabis- vs. Alkoholrausch – nicht zu vergleichen?

Der CDU-Fachpolitiker Florian Müller sprach von einem "schwarzen Tag für die Verkehrssicherheit". Die Beratungen hätten gezeigt, dass es der Ampel-Koalition darum gehe, Cannabis-Konsumenten das Autofahren zu erleichtern. Absurd sei die Argumentation, dass es eine Gerechtigkeitsfrage sei, Cannabis-Konsumenten und Alkoholtrinker gleichzustellen.

Die Grünen-Abgeordnete Swantje Michaelsen betonte dagegen: "Auch in Zukunft darf niemand im Rausch Auto fahren." Gleichzeitig gebe es jetzt eine faire Regelung für alle, die Konsum und Fahren trennen. Mit einer pauschalen Kriminalisierung über Regelungen im Straßenverkehr sei nun Schluss.

Zusätzliche Regelungen für Anbauvereine

Die Ampelkoalition möchte den Ländern außerdem mehr Handlungsspielraum bei der Überwachung von Anbauvereinigungen und im Umgang mit großen Anbauflächen einräumen. Damit mit den Anbauvereinen ab dem 1. Juli keine großen Plantagen entstehen, sollen Genehmigungen verweigert werden können, wenn Anbauflächen oder Gewächshäuser in einem "baulichen Verbund" oder in unmittelbarer Nähe mit denen anderer Vereine stehen.

Auch das vorgesehene Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten in Anbauvereinigungen wurde vom Bundestag gestrichen. Demnach dürfen die Cannabisclubs bezahlte Beschäftigte mit verschiedenen Tätigkeiten beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden sind. Das soll den Organisationsaufwand geringer halten.

xp/dpa/LTO-Redaktion

* Korrigiert am 8. Juni 2024, 7:15 Uhr. Zuvor hieß es noch, dass Verbot der Mehrfachbeschäftigung bestehe fort.

Zitiervorschlag

Cannabis am Steuer: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54719 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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