SPD-Fraktion plant Beschluss zur Umbenennung: Palandt-Diskussion im Rechtsausschuss?
Wie mit dem nationalsozialistischen Erbe des Palandt umzugehen ist, wird schon seit längerer Zeit diskutiert. Die SPD-Bundestagsfraktion will daraus jetzt auch einen Fall für den Rechtsausschuss machen.
Von Friedrich Engelke, Rechtsanwalt
Sie haben sich mit der Thematik der Umbenennung des "Palandt" beschäftigt. Vorab bemerke ich dazu, daß die Tätigkeit dieses Kronjuristen der NS–Bewegung sicherlich schon an anderer Stelle ihre Würdigung gefunden hat (siehe u.a. Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, 2. Aufl., München 1990, S. 303 f.), insbesondere in Hinblick auf die von ihm betriebene körperliche und geistige Ertüchtigung der damaligen Rechtsreferendare. Auch werden wir gewiß keine Differenzen in der Auffassung über die geschichtliche Einordnung der NS–Zeit haben und ebenfalls nicht auf den Gedanken kommen, diese schlimmste Periode der Deutschen Geschichte als "Fliegenschiß" (Gauland) anzusehen. Gleichwohl habe ich Bedenken, ob die derzeitigen Aktivitäten, "den" Palandt umbenennen, bzw. ihm seinen Namen nehmen zu wollen, als eine übertriebene Adaption an den Zeitgeist angesehen werden muß.
1.) Natürlich habe ich die Stellungnahme des Verlages Beck zu dieser Thematik in der aktuellen Ausgabe gelesen. Sie ist kurz und treffend, ich halte sie für richtig.
2.) Wenn wir heute den Palandt benutzen, so tun wir das ganz gewiß nicht unter dem Aspekt, dem alten Nazi–Anhänger irgendeine Referenz erweisen zu wollen, sondern gerade das Gegenteil ist der Fall. Diese Kommentierung repräsentiert den heutigen Stand liberaler Rechtsprechung und Literatur zu ganz wesentlichen Teilen unseres Rechtes. Wenn Herr Palandt den Inhalt dieses, "seines" Kommentares heute zur Kenntnis nehmen könnte, würde er sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen, wenn es denn beim einfachen Umdrehen bliebe, wahrscheinlich hätte man es eher mit Rotationen zu tun. Der Name des Kommentars steht für etwas ganz anderes, als wir das von Herrn Palandt kennen, er steht für einen modernen Rechtsstaat, an dem es nach wir vor sicherlich einiges zu verbessern oder zu verändern gilt, wobei die Vorstellungen über mögliche Änderungen gewiß auch von den individuellen politischen Positionen abhängen.
3.) Dieser Kommentar hat nichts mehr zu tun mit der Kommentierung aus der NS–Zeit. Wenn wir uns beispielsweise die Vorworte der 1. Auflage (Palandt, Dr. Otto [Hrsg.], Friesicke u.a., München, 1938, vollständiger Neudruck als 2. Aufl., 1939) und des Nachdruckes anschauen, wissen wir natürlich, welcher Geist dahintersteckt (Beispiel: 2. Aufl., Vorwort Bl. V), wenn von der gewonnen Vormachtstellung des Deutschen Reiches die Rede ist. Interessant ist auch die Darstellung der Eheverbote lt. EheG vom 6. Juli 1938, die sich mit einer Eheschließung "der völkischen Ordnung zuwider" (a.a.O., 2. Aufl., Einf. vor EheG 4, "Eheverbote") und der Nichtigkeit solcher Eheschließungen lt. BlSchG § 1 ("Blutschandegesetz") beschäftigen. Diese Dinge sind – glücklicherweise – alle passé, kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, so etwas Ernst zu nehmen.
Ich sehe die jetzigen Aktivitäten als ein Hinterherhecheln hinter dem Zeitgeist an. Wenn wir das Gedankengut, das hinter den Namensänderungsverlangen steht, ernsthaft umsetzen wollten, müssten wir einen erheblichen Teil der Hamburger Straßennamen ändern. Denken Sie nur an die Methfesselstraße – was hat der für blutrünstige Liedertexte verfasst, das Kaiser–Wilhelm–Denkmal, das inzwischen ganz verschämt am Sievekingplatz zur Seite gerückt wurde: Der Kartätschenprinz von 1848, der die damaligen Aufständischen niederschießen ließ, die Bismarcksäule am Hafen dürfte der Sprengung anheimfallen – Verzeihung, ich habe mich vertan, das wäre ja umweltschädlich, man müßte sie wohl à la Christo verhüllen! Man bedenke nur, wie Fürst Otto von Bismarck politisch gearbeitet hat, die provozierende Emser Depesche ….. die Liste ließe sich beliebig verlängern. Man müßte dann auch weitere Denkmäler ins Auge fassen, beispielsweise den Marx–Kopf ("Nischel") in Chemnitz. Wir hätten plötzlich sehr viel zu tun.
Wenn der heutige "Palandt", den ich als eine Marke im untechnischen Sinne ansehe, von seinen Verfassern und / oder dem Verlag in irgendeiner Weise nach dem Kriege zum Transport einer den Nazis nachtrauernden ideologischen Rechtsposition verwendet worden wäre, hätte er sich nicht derartig entwickelt, im Gegenteil, wir hätten es alle zu Recht abgelehnt, ein solches Machwerk in der täglichen Arbeit zu verwenden.
Leserbriefe an LTO: . In: Legal Tribune Online, 02.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31845 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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