19/12/22: Kronzeuge belastet Markus Braun
Der Kronzeuge Oliver Bellenhaus sagt aus. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen den Mitangeklagten Markus Braun und bezeichnet das Unternehmen als "Krebsgeschwür".
Kann ein Dax-Konzern Milliardenumsätze erfinden, ohne dass der Vorstandschef das merkt? Der mitangeklagte Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, Oliver Bellenhaus, rückt Markus Braun im Zuge seiner Aussage in ein ganz anderes Licht: Braun sei nicht nur Mitwisser, sondern Täter.
Bellenhaus sieht Braun als maßgebliche Figur bei dem jahrelangem Milliardenbetrug. "Wirecard war ein Krebsgeschwür", sagte der ehemalige Wirecard-Manager am Montag vor dem Landgericht München I. "Es gab ein System des organisierten Betrugs." Braun sei ein "absolutistischer CEO" gewesen. "Wenn er etwas sagte, wurde es so gemacht."
Bekannte Muster und blinde Loyalität
"Er sieht sich als Opfer, und das ist ein bekanntes Muster", sagte Bellenhaus über seinen früheren Chef. Braun hatte bis zum Kollaps des Bezahldienstleisters im Juni 2020 jahrelange Zweifel an den Bilanzen immer in Bausch und Bogen zurückgewiesen. "Blinde Loyalität" zu Braun und dem seit zweieinhalb Jahren flüchtigen früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek habe ihn das Gesetz brechen lassen und ins Gefängnis gebracht, so Bellenhaus.
Der 49-Jährige sagte am dritten Prozesstag als erster der drei Angeklagten zur Sache aus. Er ist bislang auch der einzige, der die Vorwürfe einräumt. "Ich bin erschrocken über mein eigenes Leben", sagte der Kronzeuge und betonte, wie sehr er den immensen Schaden bereue. Doch ging aus Bellenhaus' Aussage nicht hervor, wann die Betrügereien begannen und wie die Wirecard-Bande sich formiert haben soll. Brauns Verteidigung wirft ihm vor, Firmengelder in Millionenhöhe auf die Seite geschafft und veruntreut zu haben.
"Aus kleinen Lügen wurden große Lügen", ließ Bellenhaus die Anfänge der kriminellen Geschäfte im Ungefähren. Er berichtete jedoch von mehreren Besprechungen, an denen Braun und andere Beschuldigte teilgenommen und beraten haben sollen, wie die Fassade der erfundenen Geschäfte gewahrt werden könne.
Das Drittpartner-Geschäft löste sich in Luft auf
Braun hatte über seine Verteidiger erklären lassen, dass die vermissten Milliarden tatsächlich existierten, aber immense Summen von Bellenhaus und anderen Betrügern auf die Seite geschafft worden seien. Bellenhaus warf seinerseits Braun "Denkfehler" vor. Wenn das Drittpartner-Geschäft existiert hätte und profitabel gewesen sei, hätten sich auch nach dem Wirecard-Kollaps Spuren davon finden lassen müssen.
"Nach dem 18. Juni 2020 soll all das spurlos über Nacht untergegangen sein", sagte Bellenhaus. So hätten sich über 1.000 Händler einen neuen Partner für die Zahlungsabwicklung suchen müssen. "Ein solches Processing-Vakuum hätte in der ganzen Branche zu einiger Unruhe führen müssen."
Kronzeugenbefragung, Aussetzungsanträge, Schuldzuweisungen: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50837 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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