Das Insolvenzverfahren für die Air-Berlin-Tochter Niki soll in Österreich geführt werden, nicht wie geplant in Deutschland. Das hat das LG Berlin entschieden. Niki hat dagegen jedoch bereits Beschwerde zum BGH eingelegt.
Das Fluggastrechte-Portal Fairplane hatte vergangene Woche Beschwerde dagegen eingelegt, dass das Insolvenzverfahren über die Fluglinie Niki beim Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg angesiedelt ist. Das Gericht hatte seine Auffassung, zuständig zu sein, bekräftigt und die Beschwerde an das Landgericht (LG) Berlin verwiesen.
Dieses hat am Montag entschieden, dass die internationale Zuständigkeit nicht in Deutschland, sondern in Österreich liegt (Beschl. v. 08.01.2018, Az. 84 T 2/18). Zugleich wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen – und Niki hat die Beschwerde am Dienstag bereits eingelegt. Die Entscheidung des LG Berlin erwächst nicht in Rechtskraft, das vorläufige Insolvenzverfahren in Deutschland hat weiter Bestand.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat sich – wie zuvor bereits das AG Charlottenburg - auch das LG mit der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit auseinandergesetzt, die sich an dem "Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen" ("Center of Main Interest", COMI) des insolventen Unternehmens orientiert. Nach den Vorschriften der Europäischen Insolvenzverordnung ist der COMI der Ort, an dem die Schuldnerin gewöhnlich der Verwaltung ihrer Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist.
LG Berlin sieht COMI in Österreich
Da Niki ihren Sitz in Österreich habe, werde vermutet, dass dort auch der Mittelpunkt ihrer Interessen liege, so das LG Berlin. Wolle man diese Vermutung widerlegen, seien hohe Anforderungen zu stellen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedürfe es dafür objektiver und für Dritte erkennbarer Umstände, die belegen würden, dass sich der Ort der Hauptverwaltung nicht am Ort des satzungsmäßigen Sitzes befinde.
Im Fall von Niki und der Beschwerdeführerin Fairplane konnte das Gericht aufgrund der jeweils vorgetragenen Argumente nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass sich der COMI tatsächlich in Deutschland befinde, entschieden die Richter. Vielmehr sei kein einheitliches Bild erkennbar und es sei nicht zu rechtfertigen, die Vermutungswirkung zu widerlegen.
Das AG Charlottenburg hatte betont, Niki sei eng in den Konzern der Air-Berlin-Gruppe eingegliedert. Wer ein Ticket für einen Niki-Flug gebucht habe, habe nach außen erkennbar einen Vertrag mit Air Berlin geschlossen.
Das LG sieht das anders: Dass Nikis Geschäftsaktivitäten vor allem aus Berlin gesteuert wurden, sei allein kein maßgebliches Kriterium, teilen die Richter mit. Auch der Umstand, dass Air Berlin praktisch der einzige Kunde von Niki gewesen und damit der Umsatz vor allem in Deutschland erwirtschaftet worden sei, sei nicht automatisch prägend.
Für den COMI in Österreich spricht aus Sicht des LG Berlin, dass Niki auch Büros in Wien unterhält, in denen u.a. die Finanzbuchhaltung geführt wird. Ebenso liegt der Ort der zuständigen Aufsichtsbehörde in Wien, denn Niki verfügt über eine österreichische Betriebsgenehmigung und die Lufttüchtigkeit der Flugzeuge wird von dort aus überwacht. Zudem unterliegen die von Niki geschlossenen Arbeitsverträge zu ca. 80 Prozent dem österreichischen Arbeitsrecht.
Aus Sicht des LG Berlin weist auch das Verhalten von Niki darauf hin, dass sie von einem COMI in Österreich ausgehe. Beispielsweise hat die Fluglinie weder ihre Gläubiger noch die Öffentlichkeit davon unterrichtet, ihren COMI nach Deutschland verlegt zu haben. Zudem hat sie in dem Insolvenzeröffnungsverfahren, das seit einigen Monaten auf Antrag eines Gläubigers vor dem Landgericht Korneuburg (Az. 35 Se 323/17k) in Österreich geführt werde, dort nicht den Einwand erhoben, dass in Österreich die internationale Zuständigkeit fehle.
Platzt der Verkauf an IAG?
Was die Entscheidung des LG Berlin für den geplanten Verkauf von Niki an den britischen IAG-Konzern bedeutet, blieb zunächst offen. Der vorläufige Insolvenzverwalter Prof. Dr. Lucas Flöther hatte gewarnt, ein Wechsel der Zuständigkeit könnte den geplanten Verkauf des Ferienfliegers an IAG hinfällig machen. Die Briten betonten am Montag allerdings, dass sie trotz des juristischen Tauziehens um die Niki-Insolvenz am Kauf der Air-Berlin-Tochter festhielten. Die Konzerntochter Vueling sei weiter an der Fluggesellschaft interessiert und arbeite mit allen Beteiligten daran, den Kauf voranzutreiben.
Niki wird nun nach Informationen Flöthers voraussichtlich bis Ende der Woche Antrag auf Eröffnung eines sogenannten Sekundär-Insolvenzverfahrens in Österreich stellen. Dieses Verfahren sei ohnehin wichtig, um eine geordnete Abwicklung von Niki in Österreich zu gewährleisten. Darüber hinaus soll nun aber der geschlossene Kaufvertrag für den Niki-Geschäftsbetrieb über dieses österreichische Sekundär-Verfahren abgesichert werden.
Vueling will wesentliche Teile von Niki für 20 Millionen Euro übernehmen. Dafür ist die Zustimmung der europäischen Wettbewerbshüter nötig. Auch 740 der 1.000 Mitarbeiter soll das Untenrehmen übernehmen. Für die Zeit bis zum Vollzug der Übernahme stellt IAG zudem bis zu 16,5 Millionen Euro bereit. Offen ist, wie lange dieses Geld reicht und ob der Konzern bereit ist, möglicherweise Geld draufzulegen, wenn sich der Insolvenzstreit hinzieht.
Im Dezember war eine geplante Übernahme von Niki durch die Lufthansa geplatzt. Wegen starker wettbewerbsrechtlicher Bedenken der EU-Kommission verzichtete der Frankfurter Dax-Konzern auf Niki. Niki stellte daher am 13. Dezember 2017 Insolvenzantrag. Flöther hatte daraufhin einen Schnellverkauf – einen sogenannten "Fire Sale" – des Niki-Geschäftsbetriebs eingeleitet.
ah/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
LG Berlin zur Zuständigkeit: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26375 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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