2/2 Die Mitarbeiter zu Stars machen
Auch wenn der Schürmann-Bau Klaus Kapellmann in schlechter Erinnerung ist, macht das Beispiel doch eines deutlich: Es sind die Mandate, die für Schlagzeilen sorgen. Kapellmanns Kanzlei tut es nicht. Marktbeobachter bezeichnen sie als solide und robust, um nicht zu sagen: ein bisschen langweilig. Keine Fusionen, keine Abspaltungen einzelner Standorte, keine Team-Weggänge. In 43 Jahren hat die Sozietät gerade einmal drei Partner verloren - manch internationale Law Firm hat diesen Schwund in bloß sechs Monaten.
Das Geheimnis dieser Stabilität? "Es sind alles Rheinländer", lacht Kapellmann. Das ist nur zum Teil lokalpatriotisch gemeint: Fast alle Leiter der Standorte haben zuvor am Stammsitz in Mönchengladbach gearbeitet und haben dort nicht nur die niederrheinische Luft geatmet, sondern auch die Unternehmenskultur verinnerlicht, die Klaus Kapellmann versucht hat zu prägen.
Und die ist durchaus ungewöhnlich: "Eine Kanzlei ist wie ein Corps de ballett", sagt der Gründer. Es gibt eine Primadonna und 16 andere, die das auch gerne wären und nur auf den Moment warten, ihr ein Bein zu stellen um ihre Stelle einzunehmen. "Sie müssen es schaffen, dass auch die 16 anderen zu Stars werden", sagt er. Sprich: Die Mitarbeiter fördern und es ihnen beispielsweise ermöglichen, sich durch Publikationen einen Namen zu machen. Auch wenn das bedeutet, scheinbar auf Umsatz zu verzichten, weil die Anwälte in der Zeit, in der sie schreiben, keine Mandate bearbeiten können.
Solidarität statt Gewinnmaximierung
Klaus Kapellmann hat es in der Zeit, in der er seine Kanzlei geführt hat, nie auf reine Gewinnmaximierung angelegt, sagt er. Die Sozietät ist deswegen nicht – wie viele andere – einzig und allein auf einen Seniorpartner zugeschnitten, der sich die höchsten Entnahmen genehmigt und alle nach seiner Pfeife tanzen lässt. Bei Kapellmann werden die Partner nach dem Lockstep-Modell vergütet, ein System, das Zusammenarbeit und Solidarität fördern soll.
Mit dem Wachstum der Sozietät wurde außerdem eine Art Vorstandssystem eingeführt: Es gibt derzeit sechs geschäftsführende Partner, die jeweils für einen Bereich - beispielsweise Personal, Controlling und Produktentwicklung - zuständig sind und diese Ressorts weitgehend eigenständig führen.
Qualität, Solidarität, ethisches Verhalten – es sind klassische Tugenden, nach denen Klaus Kapellmann seine Kanzlei aufgebaut hat. Heute, wo der Blick auf die Auslastungs- und Umsatzzahlen den Alltag der meisten Managing Partner bestimmt, könnte man das als altmodisch und wirklichkeitsfremd bezeichnen. Doch Kapellmann blieb stur, wenn seiner Art der Kanzleiführung der Untergang prophezeit wurde. Innovationen haben die Kapellmann-Anwälte gleichwohl hervorgebracht, und Wettbewerber loben regelmäßig die fachliche Kompetenz der Juristen. Die strengen Markbeobachter des Juve-Verlags bescheinigen der Sozietät zudem eine "angenehme Kanzleikultur."
"Im Alter wird man bequem"
Aus dem operativen Geschäft hat sich Klaus Kapellmann schon vor einigen Jahren zurückgezogen. Seither betrachtet er "mit Wohlwollen und Interesse", wie sich die Praxis weiterentwickelt. Einmischen will er sich nicht mehr. Sein Ausscheiden war – wie damals die Wahl des Baurechts – eine rationale Entscheidung. Sie wird ihm dennoch nicht leichtgefallen sein. Aber Klaus Kapellmann sieht es nüchtern: "Alte Leute sind nicht gut für eine Praxis", ist er überzeugt. Es sei wichtig, dass Jüngere die Verantwortung übernehmen: "Im Alter wird man bequem", meint er. "Es ist schwieriger, sich mit neuen Themen zu befassen."
Der Jurist ist im Rückblick überzeugt, die richtigen strategischen Entscheidungen getroffen zu haben, er ist "stolz, sehr stolz" auf die Entwicklung seiner Sozietät. Zu Recht: Vor 43 Jahren sperrte er nervös die Kanzleitür in Mönchengladbach auf und bangte darum, ob die Mitarbeiter pünktlich ihren Dienst antreten. Heute arbeiten mehr als 130 Anwälte an sieben Standorten für Kapellmann Rechtsanwälte; die Kanzlei erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 44,6 Millionen Euro.
Nur eine Frage bleibt offen: Was wäre wohl geschehen, wenn die häufigsten Prozesse in den 70er Jahren nicht im Baurecht, sondern im Verkehrsrecht entschieden worden wären?
Anja Hall, Klaus Kapellmann zum Fünfundsiebzigsten: . In: Legal Tribune Online, 12.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25969 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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