Fresenius Kabi konnte in erster Instanz nicht verhindern, dass ein zweifacher Mörder in Nebraska mit einer Giftspritze hingerichtet wird. Das Gericht hält die Argumente des Pharmaherstellers nicht für überzeugend. Der aber geht in Berufung.
Am Dienstagmorgen um 10 Uhr Ortszeit soll Carey Dean Moore in Nebraska mit einer Giftspritze getötet werden. Doch um seine Hinrichtung ist ein Rechtsstreit entbrannt, den selbst der zuständige Richter Richard G. Kopf als "sehr seltsam" bezeichnet.
Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi hatte vergangenen Dienstagabend beim United States District Court for the District of Nebraska eine Klage gegen den Staat Nebraska und den Direktor der Justizvollzugsanstalt eingereicht (Case No. 4:18-cv-03109). Das Unternehmen will damit verhindern, dass seine Präparate für die tödliche Injektion verwendet werden.
Der Verurteilte Carey Dean Moore ist keine Partei des Verfahrens - und er selbst will seine Hinrichtung auch gar nicht verhindern. Der 60-Jährige sitzt seit gut 40 Jahren in der Todeszelle, weil er 1979 Jahre zwei Taxifahrer getötet hat. In diesen vier Jahrzehnten wurden mehrere Hinrichtungstermine festgelegt, der für den morgigen 14. August angesetzte ist der insgesamt achte. Moore will nach Angaben des Gerichts, dass die Todesstrafe ausgeführt wird. Er habe seine Anwälte angewiesen, nichts dagegen zu unternehmen.
(K)ein irreparabler Schaden für Fresenius Kabi?
Für Moores Hinrichtung will der Staat Nebraska vier verschiedene Wirkstoffe bei der tödlichen Injektion einsetzen, zwei davon sollen von Fresenius Kabi stammen. Diese hätten sich die Behörden aber illegal beschafft, lautet der Vorwurf des Pharmaunternehmens. Fresenius Kabi beantragte deshalb, die Nutzung der Mittel zu unterlassen, zudem fordert das Unternehmen die Präparate von den Behörden zurück. Schadensersatzansprüche werden nicht geltend gemacht.
Fresenius Kabi argumentiert insbesondere damit, dem Unternehmen drohe ein irreparabler Imageschaden, wenn seine Präparate für eine Hinrichtung eingesetzt werden. Dieses Argument hält das Gericht aber nicht für überzeugend: Insbesondere sei es nicht bewiesen, dass die Wirkstoffe, die am Dienstag für die tödliche Injektion genutzt werden sollen, tatsächlich von Fresenius Kabi stammen. Zudem sei seit einigen Jahren weithin bekannt, dass der Pharmahersteller keine Wirkstoffe an US-Behörden verkaufe, wenn sie für Hinrichtungen verwendet werden.
"Der Wille des Volkes wäre verletzt"
Während Richter Kopf den Schaden für Fresenius Kabi für "verschwindend klein bis gar nicht vorhanden" einschätzt, wenn Moore hingerichtet wird, sei der Schaden für den Staat Nebraska erheblich höher, würde die Exekution ausgesetzt. Denn die Todesstrafe in Nebraska war abgeschafft worden, doch im November 2016 stimmte die Bevölkerung des Bundesstaates dafür, sie wieder einzuführen. Würde Moore nicht hingerichtet, wäre der Wille des Volkes verletzt, ist der Richter überzeugt.
Ein Aufschub würde den Vollzug der Hinrichtung allgemein in Frage stellen: Zwei der Mittel näherten sich dem Verfallsdatum und es gebe keine Alternativen. Zudem sei bekannt, dass Pharmahersteller unter Druck von Gegnern der Todesstrafe im ganzen Land zahlreiche Klagen eingereicht hätten. Damit wolle man den Bundesstaaten Hinrichtungen erschweren, so Kopf.
Gericht sieht keine Erfolgsaussichten
Der Direktor der Justizvollzugsanstalt habe unter Eid ausgesagt, dass die Wirkstoffe rechtmäßig erworben worden seien, dass es keinen Vertrag mit Fresenius Kabi gebe oder gegeben habe, und dass die Vertriebskontrollen des Herstellers nicht umgangen worden seien. Sofern der Direktor nicht lüge, habe Fresenius Kabi mit der Klage keine Erfolgsaussichten, so der Richter. Woher die Präparate stammten, teilten die Behörden jedoch nicht mit.
Das Unternehmen könnte durch die Hinrichtung womöglich einen Imageschaden erleiden, aber das öffentliche Interesse sei weitaus größer als das Eigeninteresse von Fresenius Kabi. "In diesem Fall geht es um das Funktionieren einer Demokratie", schreibt Richter Kopf in dem Urteil. Es wäre ein grober Missbrauch seines Ermessenspielraums, wenn er eine einstweilige Verfügung erlassen würde – "obwohl die Anwälte der Klägerin einige der besten und klügsten sind, und sie für ihren Mandanten unter enormem Zeitaufwand jedes erdenkliche Argument angeführt haben", wie er anmerkt.
Fresenius Kabi will sich trotz dieser Schlappe nicht geschlagen geben. Ein Sprecher teilte gegenüber LTO mit: "Wir bedauern die Entscheidung des District Courts von Nebraska und sind in Berufung gegangen."
Anja Hall, Berufung im Streit um Wirkstoffe für Giftspritze: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30305 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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