Endlich geregelte Arbeitszeiten für Associates in Großkanzleien: Der jüngste Vorstoß von Linklaters trifft ins Mark der Generation Y – und derer, die in den Wirtschaftskanzleien schon längst Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz wittern.
Wer 140.000 Euro Gehalt bezieht, verkauft sein Leben. Doch junge Anwälte möchten dieses Karrieremodell gar nicht mehr. Viel Arbeit, viel Geld, Partnertrack und keine Freizeit: Die Generation Y hat andere Vorstellungen von ihrem Arbeitsleben.
Auch deshalb wirbt Linklaters gerade mit einem neuen Arbeitszeitmodell: Eine geregelte Wochenarbeitszeit, nach bisherigen Parametern sozusagen Teilzeit, ist möglich, wenn der Anwalt auf den Partnertrack und auf ein Drittel* des sonst üblichen Einstiegsgehaltes verzichtet. Die Kommentare der LTO-Leser zu diesem Vorstoß fielen vernichtend aus.
Erhebliche Unterschiede in den Arbeitszeiten
Insbesondere die scheinbaren Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz kritisieren die Leser. Werde mit einem 40-Stunden-Modell geworben, so bedeute das im Umkehrschluss, dass die tatsächliche Arbeitszeit in aller Regel eine andere sei.
Dabei ist die Sache ganz einfach: Arbeitnehmer dürfen täglich nicht mehr als acht Stunden arbeiten. So geregelt in § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Doch was wäre eine Regel ohne Ausnahmen: Die Zeit darf ausgedehnt werden –auf maximal zehn Stunden täglich, vorausgesetzt, dass innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Andere Bemessungszeiträume können über Tarifverträge vereinbart werden – diese haben Wirtschaftskanzleien allerdings nicht.
Associates in einer Großkanzlei können über diese Regelungen nur lachen. Und zwar laut. Nach einer Studie des Soldan-Instituts arbeiten Anwälte im Durchschnitt 51,1 Wochenstunden, nach einer Juve-Associate-Umfrage, die sich konkreter auf Arbeitszeiten in Wirtschaftskanzleien bezieht, sind es durchschnittlich 54 Stunden. Wohlgemerkt: im Durchschnitt. In dieser Zahl sind also die Arbeitszeiten derer enthalten, die etwa in den Segmenten IP/IT oder Kartellrecht tätig sind und damit in aller Regel weniger Zeit im Büro verbringen als ihre Kollegen im Bereich M&A.
Auch regional gibt es erhebliche Unterschiede: "Ich bin in Hamburg tätig", sagt ein junger Jurist, der für eine Großkanzlei arbeitet. "Hier geht es deutlich ruhiger zu als in Frankfurt oder Düsseldorf." Ein Erfahrungswert, der sich wiederum mit den Ergebnissen früherer Juve-Umfragen deckt.
Nicht erreichbar sein? Bisher die Ausnahme
Es sind vornehmlich Transaktionen, die in den Großkanzleien zu diesem Arbeitsumfang führen. Doch auch in anderen Rechtsgebieten gibt es Hochzeiten für Arbeitsanfall – etwa wenn arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden sollen oder Finanzierungen zu stemmen sind.
Hinzu kommt in den wirtschaftsberatenden Kanzleien die selbstverständliche Erwartungshaltung, dass die Mitarbeiter über ihre mobile Devices erreichbar sind. Das gilt abends, an den Wochenenden – und selbstverständlich im Urlaub. Es mutet fast schon fortschrittlich an, wenn Partner erwarten, dass ihre Associates lediglich morgens vor und abends nach der Arbeit ihre Emails lesen. Gestandene Anwälte, die auch Zeiten als arbeitender Anwalt ohne Blackberry und Co. kennen, sehen es zwar heute durchaus als Fortschritt an, nach dem Urlaub nicht Berge von Post durcharbeiten zu müssen, weil sie zwischendurch Mails beantwortet haben – und immer mal wieder gibt es auch Zeiten, in denen diese Partner mal nicht erreichbar sind. Viele Juristen der Generation Y wollen aber mehr von der Möglichkeit, nicht verfügbar zu sein.
Feierabend heißt wieder Feierabend
Hier setzt Linklaters mit dem neuen Karriereweg an: Die Kanzlei führt fest definierte Arbeitszeiten- mit klarem Feierabend ein – jedenfalls für die Anwälte, die sich im Gegenzug gegen den Partnertrack entscheiden. Das müssen sie zumindest so lange, wie sie sich auf diesem alternativen Karriereweg befinden. "Es geht um planbare, fest vereinbarte Arbeitszeiten, nach deren Ende die Mitarbeiter ihre Notebooks zuklappen und ausstellen können", erklärt Thomas Schmidt, Head of HR bei Linklaters. "Es gibt dann keine Erwartung von Seiten der Kanzlei mehr, noch Emails zu checken oder verfügbar zu sein." Nicht etwa die vereinbarten Wochenstunden, sondern diese beiden Aspekte, feste Arbeitszeiten und verlässliche Nicht-Verfügbarkeit, sollen die Kernelelemente des neuen Modells sein. Entsprechend kann das Modell auch in Teilzeit vereinbart werden.
Die Abstriche beim Gehalt sind heftig: Gerechnet auf eine 40-Stunden-Woche bekommen Berufseinsteiger 80.000 Euro jährlich statt den sonst üblichen 120.000 Euro. In den Folgejahren steigt das Gehalt prozentual in Abhängigkeit von Leistung und Seniorität.
Wer dieses alternative Modell namens YourLink durchläuft, geht aber als Neueinsteiger dieselben Aus- und Fortbildungswege wie die Associates auf Partnertrack. Bisherige Regelungen wie etwa zu Teilzeit oder Counsel bleiben daneben bestehen. "Wir rechnen damit, dass zehn bis 20 Prozent der Mitarbeiter dieses Modell wählen", sagt Schmidt. In dem Ausmaß lasse sich das auch organisieren, ohne gegenüber den Mandanten Abstriche in der Servicequalität machen zu müssen. Der entscheidende Unterschied zur Teilzeit sei der Punkt der Erreichbarkeit – diese würde auch von Mitarbeitern in Teilzeit durchaus erwartet. Erste Anfragen von Mitarbeitern und Bewerbern habe es bereits gegeben, so Schmidt. "Die bezogen sich bislang darauf, das Modell in einer Teilzeit-Stelle zu machen, mit 30 und 35 Wochenstunden."
Tanja Podolski, Arbeitszeit in der Großkanzlei: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22963 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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